Laut Robert Koch-Institut (RKI) sind der Regionalverband Saarbrücken und die Kreise Merzig-Wadern und Neunkirchen die mit den schlechtesten sozio-ökonomischen Lebensbedingungen. Der Saarlandinside Gesundheitsreport Teil VI über Bildung, Einkommen und Schulden der Privathaushalte und wie maßgeblich sie für die Gesundheit sind.
Info: Die RKI-Indikatoren der Deprivation
Das RKI erfasst den sozialen Status anhand von acht Indikatoren aus den Bereichen
Bildung: Schulabgänger ohne Abschluss, Beschäftigte mit Hochschulabschluss,
Beruf: Arbeitslosigkeit, Bruttolohn, Beschäftigtenquote,
Einkommen: Schuldnerquote, Haushaltsnettoeinkommen, Steuereinnahmen.
Unter dem Begriff „Deprivation“ fassen Soziologen Verlust und Verzicht, Entbehrungen und Einschränkungen der Menschen zusammen. Die These der Soziologen: je mehr Entbehrungen und Einschränkungen, desto schlechter der Gesundheitszustand der Bevölkerung.
Die dafür relevanten Daten werden in fünf Gruppen eingeteilt, die jeweils zwanzig Prozent abbilden: niedrige Deprivation (das untere Fünftel), mittlere Deprivation (die mittleren 60 Prozent) und hohe Deprivation (das obere Fünftel des Index).
Im Folgenden hat Saarlandinside die wichtigsten Indikatoren für das Saarland im Bundesvergleich dargestellt und dann jeweils für die Landkreise im Saarland. Diese detaillierte Analyse zeigt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den strukturellen Probleme im Saarland und dem Gesundheitszustand der Menschen, die hier wohnen.
Bildung: Niedriges Ausbildungsniveau und wenig Akademikerjobs in Neunkirchen
173.000 Deutsche sind im Saarland ohne beruflichen Bildungsabschluss, das sind 20,3 Prozent der Erwerbsfähigen, die zweithöchste Quote nach Bremen. Hinzu kommen 44.000 ausländische Mitbürger ohne Berufsausbildung (Destatis). Bei denen, die einen Job haben, sieht es ähnlich aus. Unter den deutschen Landkreisen haben Neunkirchen 11 Prozent und der Regionalverband 20 Prozent mehr Beschäftigte ohne Bildungsabschluss als der Bundesdurchschnitt.
Zum niedrigen Ausbildungsniveau kommt noch ein Mangel an Akademikerjobs. Erreicht der Saarpfalzkreis noch knapp das Bundesniveau, liegen die anderen Landkreise bis zu 40 Prozent darunter. Im Saarland sind die beruflichen Anforderungen nicht so hoch und die Arbeitswelt weniger komplex strukturiert.
Beruf: In Saarbrücken Arbeitslosigkeit 60 Prozent über Bundesdurchschnitt
Bei der Arbeitslosigkeit liegt das Saarland im Bundesvergleich im unteren Mittelfeld. In den Kreisen gibt es aber große Unterschiede. In Neunkirchen sind 30 Prozent mehr Menschen ohne Arbeit als im Bund, im Regionalverband mehr als 60 Prozent.
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Arbeitslosigkeit in den Saar-Landkreisen
Bruttolohn und -gehalt: Otto Normalarbeiter hat im Saarland ein um zehn Prozent geringeres Bruttoeinkommen als der Bundeskollege: 3700 Euro im Jahr bei allen Jobs, inkl. Azubis und marginal Beschäftigten, 4.700 Euro ohne diese Geringverdiener-Gruppen. Das Durchschnittseinkommen in Neunkirchen liegt 18 Prozent unter dem Bundesniveau. Ein Beschäftigter in der Hüttenstadt arbeitet – verglichen mit seinem Bundeskollegen – quasi einen Tag in der Woche ohne Lohn.
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Arbeitnehmerentgelte in den Saar-Landkreisen
Bei der Beschäftigtenquote, dem Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung, liegt das Saarland mit Bremen und Berlin auf dem letzten Platz in der Länderstatistik. In keinem Bundesland stehen so wenige Personen in einer Beschäftigung wie im Saarland. Dies hängt auch mit dem geringen Anteil der Frauenarbeit hierzulande zusammen. (Bundesagentur für Arbeit). In keinem Bundesland müssen die Arbeitenden so viele Nichterwerbstätige mitversorgen.
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Beschäftigtenquote in den Saar-Landkreisen
Einkommen: Hohe Schulden der Privathaushalte in Saarbrücken und Neunkirchen
Nicht nur die Landesregierung, auch der Saarländer privat macht die höchsten Schulden in Deutschland, pro Kopf 34.808 Euro. Er muss 31 Monatsnettogehälter aufwenden, um wieder schuldenfrei zu sein. Der Saarländer ist damit im Bundesvergleich Spitzenreiter (Destatis). Im aktuellen Überschuldungs-Ranking im Schuldneratlas 2023 der Creditreform liegen die Landkreise St. Wendel, Homburg, Merzig-Wadern und Saarlouis unter dem Bundesdurchschnitt. Der Regionalverband (Platz 373 von 400 Landkreisen) und der Landkreis Neunkirchen (Platz 359) hingegen gehören zu den höchstverschuldeten Regionen Deutschlands. Besonders dramatisch ist die Lage in der Stadt Neunkirchen, wo 24 Prozent hoffnungslos überschuldet sind, und in Malstatt in Saarbrücken (29 Prozent).
Haushaltsnettoeinkommen: Das verfügbare Einkommen, das den Saarländern aus Beschäftigung und Vermögen nach Sozialabgaben und Steuern übrigbliebt, liegt ähnlich wie die Bruttolöhne unter dem Bundesdurchschnitt. Besonders groß ist der Abstand zum Bundesmittelwert in den Kreisen Neunkirchen und Merzig-Wadern. Allerdings kostet das Leben Saarland weniger als in vielen deutschen Regionen; die Saarländer können sich etwas mehr für ihren Euro kaufen.
Steuereinnahmen: Die gemeindliche Steuerkraft ist ein Gradmesser für die lokale Wirtschaftskraft. Die Saar-Gemeinden insgesamt erreichen nur drei Viertel des Bundesdurchschnitts. Die Kreise Neunkirchen und Merzig-Wadern liegen mehr als 40 Prozent unter dem deutschen Steuerniveau. Das Bundesfinanzministerium hat kürzlich einen Überblick über die Steuerkraft der Bundesländer herausgegeben. Das Saarland und seine Kommunen nehmen pro Kopf im Jahr 612 Euro weniger Steuern ein als der Durchschnitt.
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Gemeindliche Steuerkraft nach Landkreisen
Welchen Stellenwert hat die Gesundheit der Saarländer?
Die wirtschaftlichen Kennzahlen, die das RKI im „Deprivationsindex“ zusammenfasst, sagen: Das Saarland und seine Städte und Gemeinden sind im Bundesvergleich arm. Immer neue Schulden werden gemacht, auch um die alten Schuldenlöcher zu stopfen. Was nicht zu ändern ist: Das Land hat eine sehr geringe Wirtschaftskraft. Immer mehr Arbeitsplätze fallen weg. Industrie und Handwerk suchen verzweifelt Facharbeiter. Der Arbeitsmarkt kann sie nicht liefern. Unqualifizierte Arbeitslose werden Bürgergeldempfänger. Dass das Saarland, wie es Daniel Kirch in der Saarbrücker Zeitung beschreibt, noch lange Zeit das ostdeutscheste unter den alten Bundesländern bleiben wird, ist wohl das unvermeidbare Schicksal des Landes.
Der Status quo ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Industriegeschichte. Es ging immer um den Erhalt von nicht gerade hochwertigen Branchen und Massen-Arbeitsplätze. Mit Subventionen wurden diese traditionsreiche Branchen aufrechterhalten, die jedoch nicht wettbewerbsfähig und nicht zukunftsorientiert waren. Der Grund: die Politik hat sich nicht getraut, den Arbeitnehmern die notwendigen Veränderungen zuzumuten, aus Angst, sie als Wähler zu vergraulen. Das hat zu Zeiten des Wachstums einigermaßen funktioniert. Hat aber dazu geführt, dass Branchen mit Zukunftstechnik nach Bayern und anderswo hin gingen. Insofern treffen Krisenzeiten Länder wie das Saarland besonders stark.
Ähnlich wie in den ostdeutschen Ländern verschlimmert sich die soziale Lage der Menschen im Land dramatisch. 170.000 Saarländer sind von Armut bedroht. Die Armut hat gravierende Folgen. Sie macht über die Maßen krank. Auch dies hat das RKI deutlich aufgezeigt. Das Saarland ist das kränkste der alten Bundesländer und in der Krebsstatistik bundesweit sogar traurige Spitze.
Politik und Verbände haben mit neuen Milliardenschulden die Transformation des Saarlandes ausgerufen. Unklar ist, welchen Stellenwert dabei der Gesundheitsschutz einnimmt.
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Saar-Landkreise im Vergleich: Wer weniger verdient, stirbt früher
Realsteuervergleich – Realsteuern, kommunale Einkommen- und Umsatzsteuerbeteiligungen
Kommunaler Finanzreport 2023; Bertelsmann Stiftung
Arbeitsmarktmonitor; Agentur für Arbeit
Überschuldungsintensität; Destatis