Saarländische Haushalte zahlen bei ihren heimischen Energieversorgern bundesweit am meisten für Energie. Wer jetzt den Lieferanten wechselt, kann seine Stromrechnung im Schnitt um 750 Euro senken, bei Gas um 1.200 Euro . Eine Analyse des Strom- und Gasmarkts im Saarland.
Saarlandinside hat auf der Grundlage der Angaben der saarländischen Energieversorgungsunternehmen (EVU) und der Vergleichsportale Check24 und Verivox die Preise von 21 Strom- und 23 Gasversorgern im Saarland mit den günstigsten auf dem freien Markt verglichen. Ergebnis:
Die Haushalte können enorm viel Geld sparen. Wie viel, hängt vom örtlichen Grundversorger ab. Bei den teuersten lässt sich am meisten sparen. Beispiel: Wer in Dillingen, Homburg, Völklingen, Saarbrücken Strom und Gas nach den Grundversorgungstarif bezieht, kann bei einem Wechsel locker 2.000 Euro sparen.
Strom: Saarländer können im Mittel 600 Euro sparen
Am meisten können die Kunden sparen, wenn sie in der teuren Grundversorgung stecken. Im Mittel liegen die Preise hier für den Saar-Durchschnittsverbrauch von 3.321 Kilowattstunden (Verivox) bei knapp 1.600 Euro, 60 Prozent über dem Mittelwert der Portalanbieter. Die teuersten: Völklingen, Wadern, Losheim, Saarwellingen, Lebach, Energie Saarlorlux, Energis-Versorgungsgebiete und die SW St. Wendel. Wer wechselt, spart im Schnitt 600 Euro, in St. Wendel sogar 750 Euro. Laut Bundesnetzagentur zahlt jeder vierte Haushalt – im Saarland wären dies mehr als 130.000 Stromhaushalte – den hochpreisigen Grundversorgungstarif (siehe Info-Grafik).
Die meisten Energieversorger bieten hausintern „Sonderangebote“ an. Die Kostenvorteile sind aber gering. Die Sonderverträge liegen im Schnitt nur 8 Prozent unter den eigenen Grundversorgungspreisen und 50 Prozent über den Angeboten der Vergleichsportale.
Info: Wer zahlt Grundversorgungstarif?
Vor allem unaufmerksame Verbraucher, die zum ersten Mal einen Strom- oder Gasvertrag abschließen, keinen alternativen Energieversorger beauftragt, noch nie den Anbieter gewechselt oder sich beim Umzug nicht um einen Stromversorger gekümmert haben. Möglicherweise wurde auch der Wechsel wegen einer Bonitätsprüfung verweigert. Auch arme und einkommensschwache Haushalte mit Energieschulden stecken meist in diesem teuersten Tarif.6 Millionen Stromkunden haben im letzten Jahr zu einem günstigeren Lieferanten gewechselt, 1,5 Millionen davon im Rahmen eines Umzugs. Bei den Gaskunden waren es1,8 Millionen, 300.000 bei einem Umzug (Bundesnetzagentur).
Gas: Verbrauch im Saarland am höchsten
264.000 Wohnungen im Saarland werden mit Gas beheizt (Mikrozensus 2022). Der Durchschnittsverbrauch ist hierzulande besonders hoch, so ein Bundesländer-Vergleich von Check 24. Grund: Die Saarländer müssen mehr Wohnfläche beheizen, im Durchschnitt 107 Quadratmeter (Bundesdurchschnitt 92 Quadratmeter). Zudem befinden sich viele Häuser in einem energetisch schlechten Zustand, sagt die Immobilienwirtschaft.
Saarhaushalte können bei Gas im Mittel 1.200 Euro sparen
Ein Preisvergleich lohnt sich vor allem für die rund 50.000 Gas-Haushalte, die immer noch in der Grundversorgung stecken. Im Schnitt der 22 Saar-EVU kostet der Muster-Durchschnittsverbrauch von 20.600 Kilowattstunden (Check 24) 3.000 Euro, bei freien Anbietern 1.800 Euro, das sind 1.200 Euro (!) oder 40 Prozent weniger. Zu den teuersten zählen die Anbieter in Völklingen, Homburg, und Dillingen. Hier liegt die Ersparnis zwischen 1.500 und 1.650 Euro. (Die Preise Ihres örtlichen Versorgers finden Sie in der Info-Grafik).
Auch beim Gas bieten die meisten Saar-Versorger hausintern Sondertarife an. 47 Prozent der Gaskunden in Deutschland haben dies getan, im Saarland schätzungsweise 175.000. Sie bekommen aber nur einen geringen Preisvorteil von etwa 10 Prozent. Wie beim Strom liegen die ermäßigten Gas-Tarife 50 Prozent über den Konditionen der Vergleichsportale, im Schnitt ca. 900 Euro. Selbst bei einem Wechsel von den ermäßigten Preisen der kommunalen Betriebe wie SW Saarlouis, TW Saarwellingen und Losheim, SW Wadern, SW Sulzbach zu einem überregionalen Anbieter kann die Gasrechnung um 1.200 bis 1.300 Euro im Jahr niedriger sein.
Verbraucherzentrale gibt Tipps für den Wechsel
▪ Ein Wechsel zu einem anderen Anbieter oder Tarif lohnt sich insbesondere für Kunden in der Grundversorgung.
▪ Vergleichsportale nutzen; die dort vor eingestellten Filter verändern.
▪ über den neuen Anbieter informieren (bieten auch die Vergleichsportale an) bevor ein Vertrag abgeschlossen wird.Link zur Verbraucherzentrale Saarland: So läuft der Anbieterwechsel bei Strom und Gas ab
Warum die Energiepreise im Saarland so hoch sind
Dass Energie im „Energieland Saarland“ so teuer ist, hängt einerseits mit den überdurchschnittlichen Beschaffungskosten für Energie zusammen. Die Saar-EVU haben offenbar Strom und Gas teuer und mit langfristigen Verträgen eingekauft.
Preistreiber sind im Saarland auch die Kosten der Energieverteilung, die sogenannten Netznutzungsentgelte (Verivox). Laut einem Gutachten der Verbraucherzentrale Bundesverband machen Netzentgelte mehr als 20 Prozent der Stromrechnung aus, in Völklingen sogar 30 Prozent; umgelegt auf unseren Musterverbrauch macht dies 400 Euro. Vor zehn Jahren waren es noch 240 Euro. Außer in Kirkel und Merzig liegen die Netznutzungsentgelte im Land deutlich über dem Bundesmittel (Bundesnetzagentur).
Dabei müssten in dicht besiedelten Gebieten die Entgelte geringer sein als auf dem flachen Land, da dort die Kosten auf weniger Verbraucher umgelegt werden. Der Verband der Energie- und Wasserwirtschaft (VEW-Saar) äußert sich dazu nicht. Eine Erklärung könnte der Sanierungsstau in der Infrastruktur sein. Die Energiepreise werden durch Netzausbaukosten, Klimaschutz und Energiewende steigen. Die Milliarden-Investitionen werden auf die Haushalte umgelegt.
Teure Verwaltung und träges Marktverhalten
Eine Ursache für das hohe Preisniveau im Saarland dürften auch die hohen Verwaltungs- und Betriebskosten der Versorger sein. Beschäftigte der Ver- und Entsorgungsbetriebe fallen in der Statistik der Krankenkassen als sehr krankheitsanfällig auf. Jeder Beschäftigte fehlt im Betrieb statistisch 41 Tage im Jahr (AOK), 60 Prozent länger als der Durchschnitts-Saarländer. Die kommunalen Betriebe sind teilweise parteipolitisch personalisiert und im Aufsichtsrat sitzen Kommunalpolitiker. Keine guten Voraussetzungen für besondere Leistungsfähigkeit und agiles Marktverhalten. Überregionale Anbieter hingegen arbeiten in der Regel mit hochentwickelten Softwarelösungen, hohem Automatisierungsgrad und schlanken Prozessen. Die Bearbeitung von Kundenanliegen sind optimiert. Das senkt die Kosten enorm.
Im Saarland fließen noch lokale Besonderheiten in die Preisgestaltung ein. Beispiel „my Stadtwerke Völklingen“, einer der teuersten im Land: Deren Kunden haften noch zehn Jahre nach dem 20 Millionen-Euro-Fiasko Fischzucht für die politisch verschuldete Misswirtschaft der Stadtwerke.
Quellen:
Online-Informationen, Preisblätter und Auskünfte der saarländischen Energieversorger
Auswertungen der Vergleichsportale Check24 und Verivox
Bundesnetzagentur Monitoringbericht 2023
Verbraucherzentrale Saarland: So läuft der Anbieterwechsel bei Strom und Gas ab
Ergänzt am 1.8.24/14:00 h