Beim Brand in der Saaruferstraße ersticken vier Menschen. Eine Drehleiter fällt aus. Sachverständige finden Benzin im Dieseltank. Die Stadt sagt, die Fehlbetankung sei nach dem Brand passiert. Warum die Drehleiter eine Panne hatte, bleibt vorläufig ungeklärt. Die Skandal-Serie bei der Saarbrücker Feuerwehr. Der aktualisierte Teil 2.
Sonntag, 3. Dezember 2017, Saaruferstraße 13: Der Löschzug 1 erreicht um 13:26 Uhr und 8 Sekunden, eineinhalb Minuten nach der Alarmierung das brennende Mehrfamilienhaus. An allen Fenstern auf der Vorder- und Rückseite stehen Menschen. Sie schreien um Hilfe. Dichter Rauch dringt nach draußen. Das Treppenhaus ist komplett verraucht. Keiner kommt durch. Ein Bewohner springt aus dem dritten Stock. Die Drehleiter wird umständlich ausgefahren. Zeugen halten die dramatischen Szenen auf Video fest. Auf der Rückseite schlagen Flammen aus dem ersten Obergeschoss. Dort fällt gegen 13:40 Uhr die Drehleiter aus. Bis dahin hat ihre Besatzung vier Menschen gerettet.
In 1 Minute 30 vom Alarm zum Brandort
So die Darstellung des für Brandschutz zuständigen Innenministeriums zehn Tage später im Innenausschuss des Landtags. Besonders interessiert die Abgeordneten die Weltrekord-verdächtige „Eintreffzeit“ von 1 Minute 30 (!). Selbst wenn die Truppe 1 Minute nach dem Alarm ausgerückt war (normal sind 2 Minuten), dann müsste sie die 1,8 Kilometer zum Brand mit Tempo 216 geflogen sein. „Hatte die Feuerwehr vorher schon einen Hinweis?“ fragte deshalb die CDU-Abgeordnete Ruth Meyer im Landtag. Die Brandexperten verneinen, ohne eine andere plausible Erklärung zu finden. Einen wichtigen Punkt verfolgen die Abgeordneten nicht weiter: den Ausfall der Drehleiter.
Kaputte Drehleiter: Statt Diesel Benzin im Tank
Saarlandinside hat diesen „technischen Defekt“ an der Drehleiter nachrecherchiert. Fakt ist: Zwei Tage vor dem Brand hat die Drehleiter nachgewiesen tadellos funktioniert, denn sie kam direkt aus der Revision beim Hersteller Magirus in Ulm und hatte dort mehrere Tests durchlaufen. Auch am Tag nach dem Brand hat Magirus die Drehleiter vor Ort in Saarbrücken überprüft mit dem Ergebnis, die Drehleiter lief einwandfrei. Magirus bot eine zusätzliche genaue Untersuchung in ihrem Werk in Ulm an. Dies geht aus einem Magirus-Bericht vom 7.12.2017 hervor, der Saarlandinside vorliegt. Die Sachverständigen fanden heraus, dass das Drehleiter-Fahrzeug mit Benzin statt mit Diesel betankt worden war.
Stadtverwaltung schiebt Informationen nach
Saarlandinside hatte die Stadtverwaltung um Informationen zur Feuerwehr gebeten. Die erste schriftliche Anfrage wurde schon nicht beantwortet. Erst nach diesem Saarlandinside-Bericht meldete sich Sicherheitsdezernent Harald Schindel bei Saarlandinside mit einer neuen Erklärung. Der Tank sei nach dem Brand auf der Überführungsfahrt zu Magirus nach Ulm versehentlich mit Benzin betankt worden. Zuvor hatte es noch gehießen, laut Abrechnungsbelegen sei nur Diesel getankt worden. Nach der Ursache der Drehleiter-Panne wurde nach Saarlandinside-Informationen nicht weiter gesucht.
Saaruferstraße 13: Der Löschzug 1 ist als erster zur Stelle. Er rettet über die Drehleiter an der Vorderseite 25 Personen. Beim Löschzug auf der Rückseite fällt die Drehleiter aus. Immerhin kann er noch vier Menschen retten. Foto: BeckerundBredel
Für ein neues Feuerwehrauto Druck gemacht?
Ein Feuerwehr-Insider berichtet Saarlandinside, dass Teile der Belegschaft schon seit längerem gerne ein neues Löschfahrzeug gehabt hätten, obwohl das alte, Baujahr 2002, noch technisch völlig in Ordnung gewesen sei. Störungen und Mängel an besagtem Magirus hätten sich unerklärlicherweise gehäuft. Der Insider hält es für nicht unwahrscheinlich, dass jemand eine Panne verursacht hat, um Druck für ein neues Auto zu machen.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft konzentrieren sich 2018 auf die Brandstifterin und den Hauseigentümer wegen brandschutztechnischer Mängel. Dabei waren „auch Fragen möglichen feuerwehrinternen Fehlverhaltens‘ Gegenstand von Untersuchungen. Soweit (stellte sich) nicht der Anfangsverdacht einer Straftat dar“, teilt Mario Krah, Sprecher der Staatsanwalt, Saarlandinside mit.
Falsche Verdächtigungen gegen Schun
Auffällig die Aktivitäten von Oberbürgermeisterin Charlotte Britz an dem Tag, an dem der Magirus-Bericht über die Fehlbetankung bei der Stadt eintrifft. Sie sieht eine Chance, Feuerwehrchef Schun kalt zu stellen. Sie wirft ihm vor, er habe beim verheerenden Brand in der Saaruferstraße Fehler gemacht, u.a. hätte er die Drehleiter-Panne zu verantworten. Mit renitenten Feuerwehrleuten und dem Personalrat im Rücken suspendiert sie Schun.
Noch vier Monate zuvor „Sehr gut“ im Arbeitszeugnis
Dass Gutachter und Verwaltungsgericht Schun eine tadellose Einsatzleitung bescheinigen, bringt Britz, ihren Bürgermeister Latz und ihren Feuerwehr-Dezernenten nicht zum Nachdenken oder gar zum Einlenken. Sie haben den Beamten Schun erst mal aus dem Verkehr gezogen und mit einem Aussageverbot geknebelt; er darf sich öffentlich nicht verteidigen. Gerade mal vier Monate zuvor hatte Britz Schun in einem Arbeitszeugnis noch als sehr guten Feuerwehrchef beurteilt. Er verstehe es vor allem, Mitarbeiter anzuleiten und zu Leistungen zu motivieren, attestiert sie ihm.
Fazit: Interessierte Kreise in der Rathausspitze, bei der Feuerwehr und im Personalrat feuern mit dem tödlichen Brand an der Saaruferstraße den Widerstand gegen Feuerwehrchef Josef Schun weiter an. Britz fürchtet, das Thema könne ihr Image im nächsten Kommunalwahlkampf beschädigen. Immerhin bedeuten die Feuerwehrleute und die Rathaus-Mitarbeiter mit ihren Angehörigen einige Tausend Stimmen wertvolles Wählerpotenzial. Darauf will Britz nicht verzichten. Wie sehr sie im Wahlkampf dieses Abhängigkeitsverhältnis ihrer 2.500 Untergebenen in der Stadtverwaltung nutzt, zeigt eine dreiste Wahlkampfaktion aus dem Jahre 2004. Martin Rolshausen erinnert in der Saarbrücker Zeitung an ein Rundschreiben Britz‘ an ihre Mitarbeiter: „Nur wenige Arbeitnehmer haben die Chance, die Wahl ihrer Vorgesetzten mitzubestimmen.“ Eine unzulässige Wahlwerbung, rechtlich sicherlich nicht zulässig. Rechtswidrig ist auch Britz‘ Versuch, Schun Fehlverhalten anzuhängen, urteilen die Verwaltungsgerichte. Darüber mehr in Teil 3.
Quellen: Landtag des Saarlandes: Protokoll der Sitzung des Innenausschusses vom 14.12.2017
MAGIRUS: Untersuchungsbericht zum technischen Defekt vom 7.12.2017
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