Die Wirtschaftliche Zukunft des Saarlandes ist nur mit einer flächendeckenden Glasfaserversorgung möglich. Der Strukturwandel hängt am Giga-Datennetz. Bei der Glasfaser hinkt das Land im Bundesländervergleich aber weit hinterher. Die Landesregierung verkündet eine Glasfaser-Gigabit-Strategie.
Überall dort, wo große Datenmengen schnell verarbeitet werden müssen, in Krankenhäusern und in der Verwaltung zum Beispiel oder in der Wissenschaft, vor allem aber in der Wirtschaft kommt es auf leistungsstarke Datenübertragung an. Digitalisierung, Big Data, Internet der Dinge (IoT), das physische und virtuelle Objekte miteinander vernetzt, Personal 4.0, Industrie 4.0, Homeoffice – all diese Trend-Themen werden zunehmend erfolgsentscheidend, sagt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Saar. Denn die datenbasierte Produktion erhöht die Produktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Gigabit macht die Firmen fit – die Digitalisierung ersetzt aber auch Zehntausende Arbeitskräfte im Saarland.
An diesem Mittwoch (16.3.) diskutiert der Saar-Landtag die Ergebnisse der Enquête-Kommission „Digitalisierung im Saarland“. Der Landesregierung und manchem Abgeordneten dürfte angesichts des Handlungsbedarfs der Schreck in die Glieder fahren. Die Experten schreiben in ihrem Bericht: „Der Aufbau einer saarlandweiten Glasfaservernetzung, ist eine Generationenaufgabe, welche geschätzt eine Milliarde Euro kosten wird“.
Info: Breitband und Gigabit-Strategie der Landesregierung
Nahezu jeder nutzt das Internet. Doch oft lässt die Übertragungsgeschwindigkeit zu wünschen übrig. Die alten Kupferkabel kommen – auch technisch aufgemotzt – an ihre Kapazitätsgrenzen.
DSL, VDSL Vectoring oder Super Vectoring erreichen heute eine Geschwindigkeit von bis zu 250 Mbit/Sekunde.
Kabelanschluss: Das Internet aus der Fernseh-Buchse bringt bis zu 1000 Mbits/s; das ist 1 Gigabit/s. Nachteil: Anders als bei (V)DSL-Angeboten teilen sich die verschiedenen Nutzer an einem Kabel-Zweig die Bandbreite. Das Internet kann dadurch langsamer werden.
Ein Glasfaseranschluss (FTTB/H = Fiber to the Building/Home) erlaubt ähnlich wie das TV-Kabel sehr hohe Internet-Geschwindigkeiten im Gigabit-Bereich. Im Gegensatz zum Kupfer, das elektrische Signale überträgt, arbeitet Glasfaser mit optischen Signalen und ist weniger störanfällig.
Der Breitband-Atlas der Bundesregierung unterscheidet sieben Breitband-Klassen, je nach Übertragungsgeschwindigkeit zurzeit von 2 bis 500 Mbits/s. Der Begriff Breitband allein sagt noch nicht viel über die technische Leistungsfähigkeit. Dazu gehören Angaben über die Übertragungsgeschwindigkeit.
Im Saarland sind inzwischen 99,5 Prozent der Haushalte mit der Übertragungsrate von 50 Mbit/s ausgestattet. Es gibt nur noch wenige „weiße Flecken“ auf der Saarlandkarte, Orte mit höchstens 30 Mbit/s. 5365 Haushalte sind davon betroffen, also etwa 1 Prozent.
In der Gigabit-Strategie der Landesregierung geht es um die Glasfasertechnologie mit der zurzeit höchsten Übertragungsgeschwindigkeit von 1000 Mbits/s.
Saarland: Großer Rückstand, niedrige Anschlussquoten
Der Ausbau des Glasfasernetzes ist überfällig. Dabei hat das Saarland einen Rückstand aufzuholen, wie der Breitbandatlas der Bundesregierung zeigt. Gerade mal 11,7 Prozent der Gewerbestandorte und 3,5 Prozent der Haushalte verfügen über Glasfaseranschlüsse. Das ist mit Thüringen bundesweit die schlechteste Position. Die Landesregierung hat den Ausbau in den letzten Jahren auch etwas schleifen lassen. Nach dem Breitbandatlas liegt das Land beim Zuwachs der Breitbandverfügbarkeit von 2018 bis Mitte 2021 beim 50 Mbit-Ausbau und beim 100 Mbit-Ausbau 40 Prozent unterm Bundesdurchschnitt. Bei 1000 Mbit war der Zuwachs im Bundesdurchschnitt fast zweieinhalbmal so groß wie im Saarland. Nur der Saarpfalzkreis glänzt. Er gehört zu den schnellsten Landkreisen bundesweit. Theoretisch könnten sich dort 85,4 Prozent der Haushalte an eine 1-Gbit-Leitung aus Kupfer oder Glasfaser anschließen.
Saarland setzt auf die Privatwirtschaft
Seit 2015 existiert das von Land und Kommunen gemeinsam getragene Projekt „NGA-Netzausbau Saar“, das bis heute ohne öffentliche Mittel auskommt. Die privatwirtschaftlichen Investitionen betrugen etwa 50 Millionen Euro. Zudem gibt es seit April 2021 ein von der Bundesregierung aufgesetztes Förderprogramm, das auch die sogenannten „grauen Flecken“ von der Landkarte eliminieren soll. Damit gemeint sind all die Regionen, die über eine Bandbreite von weniger als 100 Mbit verfügen. Hiervon soll das Saarland profitieren. Auch Hans‘ Gigabitstrategie setzt auf private Träger. Nur in Gebieten, in denen der Ausbau unwirtschaftlich ist, will das Land finanziell fördern. Die Unternehmen Deutsche Glasfaser (vormals inexio) und die Telekom wollen etwa 400.000 Haushalte bis Ende 2028 mit 1 Gbit ans Glasfasernetz bringen.
Mobiltelefone: Fast 100 Prozent könnten LTE nutzen
Für die flächendeckende Internetanbindung ist nicht nur der Ausbau von Glasfaserleitungen wichtig. Auch die mobile Datenübertragung auf Smartphones spielt hierbei eine Rolle. Im Saarland sind derzeit 99,6 Prozent aller Haushalte und 98,3 Prozent der Fläche mit LTE versorgt (LTE = Long Term Evolution), Mobilfunk-Standard für größere Datenmengen und höherer Geschwindigkeit). Theoretisch kann LTE einen Datendurchsatz von bis zu 500 Mbit/s erzielen, in der Praxis werden diese Werte jedoch selten erreicht. Die Landesregierung will weiter am Mobilfunknetz feilen – insbesondere auch, um den moderneren Mobilfunkstandard 5G zu fördern. Mit diesem sind Datendurchsätze von bis zu 10 Gbit/s möglich. Diese hohen Datenmengen sind zum Beispiel erforderlich, um autonomes Fahren und industrielle Automation zu ermöglichen.
Gigabitprämie für Unternehmen
An Betriebe mit hoher Nachfrage nach einer starken Leistung richtet die Landesregierung seit Dezember 2021 die sogenannte Gigabitprämie plus. Damit garantiert das Land die Übernahme von drei Vierteln der anfallenden Baukosten eines individuellen Glasfaseranschlusses. Im Fördertopf liegen rund eine Million Euro an Landesmitteln bereit. Das Programm läuft so lange, bis die Mittel abgeschöpft sind, längstens aber bis Ende 2022. Bei einem ähnlichen Landesprogramm zur Gigabitförderung aus dem Jahr 2017 betrug die durchschnittliche Förderhöhe etwa 10.000 Euro pro Antrag. Für die erst kürzlich verabschiedete Gigabitprämie plus kann die Staatskanzlei noch keinen Durchschnittswert angeben.
Deutschland hat den Netzausbau schon vor 40 Jahren verschlafen
Im internationalen Vergleich ist Deutschland weit abgeschlagen, liegt auf Platz 36 der OECD-Statistik für Glasfaser-Anschlüsse. Laut Global Speed Index liegt die durchschnittliche Übertragungsgeschwindigkeit beim Spitzenreiter Südkorea sage und schreibe 192 Mbit/s. Zum Vergleich: In Deutschland liegt er bei 65 Mbit/s. Dabei ist die Glasfaser-Technologie nicht unbedingt eine Neuheit. Bereits im Jahr 1981 fasste Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) den Plan, die alten Kupferleitungen durch Glasfasern zu ersetzen. Das scheiterte jedoch an seinem Nachfolger, Kanzler Helmut Kohl (CDU), der stattdessen auf den Ausbau von TV-Kabelanschlüssen setzte. Jetzt, satte 41 Jahre später, wagen Bund und Länder also einen neuerlichen Versuch, das überalterte Netz zu sanieren.
Der Glasfaserausbau kostet eine Milliarde Euro
Hierzu haben sich die Entscheider im Saar-Landtag eine Kommission zur Seite gestellt, die die dafür notwendige Expertise liefern und den Ausbauprozess wissenschaftlich begleiten soll. Diese Enquête-Kommission verfasste im Januar 2022 einen Abschlussbericht. In dem 314 Seiten starken Dokument formulierten die Experten diverse Handlungsempfehlungen an die Landesregierung, die sich auch in der angekündigten Gigabitstrategie wiederfinden werden. Laut Angaben der Kommission sei der Ausbau der Leitungen eine „Generationenaufgabe“ und werde voraussichtlich 1 Milliarde Euro kosten. Allein die Gigabit-Anbindungen über Glasfaser verschlängen „einen Förderbedarf in dreistelliger Millionenhöhe“ durch die Tiefbaumaßnahmen.
Qualifiziertes Fachpersonal ist Standortfaktor
Zudem empfiehlt die Kommission, Digitalisierung nicht nur entlang des Netzausbaus zu denken. Die Verfügbarkeit von qualifiziertem Fachpersonal sei ein entscheidender Standortfaktor, da Unternehmen ihre Geschäftsfelder dorthin verlagerten, wo Expertise zu finden sei. Zudem solle die Regierung ein besonderes Augenmerk auf den Ausbau der wirtschaftlich benötigten digitalen Infrastruktur richten, um etwa den Datenaustausch zwischen Systemen und Objekten (Internet der Dinge) voranzutreiben und den Ausbau mobiler Hotspots zu etablieren. Aufgrund der „vielseitigen und umfassenden Herausforderungen“ solle der Landtag im Landeshaushalt die Mittel bereitstellen. Die Experten fordern einen Investitionsplan, über den die Regierung jährlich berichten soll.
Fazit: Die Gigabitstrategie des Saarlandes kommt zwar, aber sie kommt spät. Wie der internationale Vergleich aufzeigt, befinden sich Deutschland – und somit auch das Saarland – noch in der digitalen Steinzeit. Diesen Rückstand aufzuholen, scheint derzeit fast unmöglich, bedenkt man, dass die Telekom den von ihr geplanten Glasfaserausbau erst Ende 2028 finalisieren will. Ob das alles reibungslos und wie geplant abläuft, bleibt ebenfalls noch abzuwarten. Bereits heute ist Deutschland also weit abgehängt, was nicht nur einen Nachteil für private Nutzerinnen und Nutzer bei ihren alltäglichen Internetanwendungen bedeutet. Es ist auch ein klarer Standortnachteil. Das ist gerade für das Saarland in vielfacher Hinsicht übel. Die Kohle-Zeit ist vorbei, die Stahlindustrie hat an Bedeutung verloren und die Automobilindustrie wankt. Mit einer starken Informatik an der Universität des Saarlandes und dem weltweit führenden CISPA-Helmholtz-Zentrum für Datensicherheit hätte das Saarland eigentlich recht gute Voraussetzungen und die von der Enquete-Kommission geforderte Expertise, um dem Strukturwandel zu begegnen. Doch dafür müssen die Voraussetzungen stimmen. Eine davon ist eine dem Jahr 2022 angemessene Bandbreite. Die wurde in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bereits einmal verspielt. Ein zweites Mal können wir uns das sicherlich nicht leisten. Es bleibt zu hoffen, dass die angekündigte Gigabitstrategie des Saarlandes Substanz haben wird und sich nicht nur als Wahlkampfgetöse entpuppt.
Quellen:
Breitbandatlas der Bundesregierung Stand Mitte 2021
Enquêtekommission Abschlussbericht „Digitalisierung im Saarland – Bestandsaufnahme, Chancen, Maßnahmen“ Februar 2022
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