Etwa 125.000 Saarländer leben von weniger als 880 Euro Rente. Dies ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine AfD-Anfrage. Daten der Deutschen Rentenversicherung lassen vermuten, dass das Rentenniveau noch absinken wird. Analyse.
Insgesamt zahlt die Deutsche Rentenversicherung (DRV) im Saarland 316.000 Erwerbsminderungs-, Alters- und Hinterbliebenenrenten aus. 250.000 Saarländer beziehen nur einer Rente. Die Bundesregierung hat errechnet, dass die Hälfte davon weniger als 880 Euro im Monat bekommt (Renten-Median). Das ist der niedrigste Wert in Deutschland, der im Mittel bei 990 Euro liegt. Auch wenn sich die Einkommensverhältnisse bei Rentner-Paaren mit jeweils einer Rente nicht ganz so dramatisch darstellen mögen, so zeigt die Statistik doch, wie prekär die Lage im Saarland insgesamt ist.
Erklärung für das niedrige Rentenniveau: Im Saarland liegen die Gehälter seit Jahrzehnten bis zu 15 Prozent unter dem Bundesschnitt. Geringere Gehälter bedeuten geringere Rentenbeiträge und damit geringere Renten. Auch bei der Beschäftigung der Frauen ist das Saarland im Nachteil. Nur jede zweite arbeitet in Vollzeit.
Auch die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat keine guten Daten für das Saarland. Beispiel die 223.000 Empfänger einer Altersrente. Sie liegt, Männer und Frauen zusammengenommen, am Ende der Tabelle mit 1.029 Euro in Rheinland-Pfalz und 1.034 Euro im Saarland und an der Spitze mit 1.328 Euro in Ost-Berlin. Ohne hohe Knappschaftsrenten hätten die Saarländer sogar nur 965 Euro. Ein besonderes Problem sind die Rentner mit weniger als 35 Beitragsjahren. Die Hälfte bekommt weniger als 435 Euro (Sonderauswertung der DRV für den Bundestag). Das ist der niedrigste Wert im Bundesvergleich (Durchschnitt 573 Euro). Zehn Prozent der Saarländer sind langjährig Versicherte (mehr als 35 Beitragsjahre); die Hälfte hat weniger als 1.183 Euro. Von den besonders langjährig versicherten Rentnern (mehr als 45 Versicherungsjahre) hat die Hälfte weniger als 1.485 Euro (Angaben aus 2021).
Knappschaftsbonus wird abschmelzen
Wie stark der Knappschaftsbonus den allgemeinen Rentendurchschnitt nach oben schiebt, zeigt sich an zwei Zahlen. Die Altersrente der Bergleute ist mit 1.920 Euro doppelt so hoch wie die der allgemeinen Rentenversicherung, aber nur sieben Prozent der Saarrentner leben von der Knappschaft. Ähnlichen Effekt haben die 14.000 Renten aus der Hüttenknappschaftlichen Rente. Der Knappschaftsbonus in der Statistik wird aber mit dem Ableben der 15.500 Bergbaurentner und ihrer 12.500 Hinterbliebenen abschmelzen. Dadurch wird auch das Rentenniveau in Relation zu anderen Bundesländern sinken. Seit 2010 ist die Zahl der Knappschaftsrentner schon um ein Viertel zurückgegangen.
Hohe Durchschnittsrente bei den Männern, niedrige bei den Frauen
Dabei besteht zwischen Männer- und Frauenrenten ein großer Unterschied. 99.000 Altersrenten für Männer liegen im Schnitt bei 1.440 Euro (nach Sozialabgaben und vor Steuern). Das ist dank Knappschaftsbonus der höchste Auszahlungsbetrag in Deutschland (siehe Info-Grafik). Davon profitieren aber wenige Rentner, nur sieben Prozent sind bei der Knappschaft versichert.
So erfreulich die Zahlen bei den Männern (noch) sind, so dramatisch sind sie bei den 124.000 Frauenrenten. Die durchschnittliche Altersrente liegt bei 707 Euro im Monat, die mit Abstand niedrigste Frauenrente in Deutschland. Sie ist nicht einmal halb so hoch wie die Männerrente. Ein Grund sind die geringeren Beschäftigungszeiten als Folge des Frauen- bzw. Männerbildes seit der Nachkriegszeit: Das Kinder-Küche-Kirche-Ideal hat sie erst zu Null- oder Schwachverdienerinnen und dann zu Schwachrentnerinnen gemacht. Frauen arbeiteten eher in Teilzeit; im Saarland zurzeit nur etwa jede zweite. Hierzulande ist auch die die Quote der Frauenbeschäftigung die niedrigste.
Frauen übernehmen den Großteil der unbezahlten Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit. Unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten und ein schlechter öffentlicher Nahverkehr sorgen dafür, dass im Saarland keine vollzeitnahe Beschäftigung möglich ist.
Sozialverband VdK-Saar: Die Mär der hohen Renten
57.500 Frauen bekommen eine durchschnittliche Witwenrente von 830 Euro. Das ist weit weniger als der Betrag, mit dem der Staat die Bürgergeld-Bezieher unterstützt. Der liegt bei etwa 900 Euro im Monat, inklusive der Kosten für Miete und Heizung.
Zehntausende Saar-Rentner im Armutsrisiko
Wenn eine Rente von unter 880 Euro für 125.000 Saarländer die einzige Einnahme ist, macht sich Altersarmut breit. Und das Armutsrisiko steigt. Im Saarland reichen etwa 18.300 Rentner-Haushalten die Alters- und Erwerbminderungsrenten nicht zum Leben. Mehr als 10.600 erhalten deshalb vom Staat zusätzlich Grundsicherung (Statistisches Landesamt). 15.400 Menschen über der Altersgrenze bessern sich mit Neben- oder Minijob Job ihr Einkommen auf (Arbeitsagentur). Wie viele Rentner von Angehörigen unterstützt werden, ist nicht bekannt. Die Tabelle unten zeigt: Knapp 180.000 Renten, 57 Prozent, liegen unter 1.000 Euro, 87.000 davon sogar unter 500 Euro im Monat (DRV).
Hinweis: Beim sozial brisanten Thema Renten betreiben saarländische Medien gerne Schönschreiberei. Im Saarland seien die Renten am höchsten, so die Schlagzeilen. Der Trick: Die Redaktionen picken sich die Renten mit mehr als 35 Beitragsjahren raus. Dies betrifft im Saarland eine Minderheit, gerade mal 22 Prozent aller Altersrentner. Zudem nennen die Redaktionen die höheren Bruttobeiträge, vor Abzug der Sozialabgaben und vor Steuern. Unangenehme Fakten wie die katastrophal niedrige Altersrente bei Frauen landen im Redaktionspapierkorb.
Screenshot Saarbrücker Zeitung
Screenshot Saarländischer Rundfunk
Quellen:
Median-Renten und Median-Entgelte: Antwort der Bundesregierung auf eine AfD-Anfrage 2022
Statistik der Deutschen Rentenversicherung 2022
SR: Immer mehr Rentner im Saarland auf Grundsicherung angewiesen