Der Völklinger Albert Boußonville ist ein Insider im West-Ost-Geschäft. Er erzählt, wie Korruption aus Deutschland nach dem Kollaps der Sowjetunion nach Usbekistan floss. Auch im Saarland gab es dubiose Zahlungen.
Nach exklusiven CORRECTIV-Recherchen bat der damalige Innenminister des Saarlandes, Friedel Läpple, einen von der Justiz verfolgten Mafiosi um eine Spende für eine SPD-nahe Stiftung – heute Stiftung Demokratie. Läpple ist bis heute ihr Vorsitzender.
Die Erinnerung an das erste Geschenk für Islam Karimow, ein Stift von Montblanc in vollständiger Goldausführung, kommt Albert Boußonville sofort. „Ich habe gesagt, hier noch eine Kleinigkeit, habe ihm das Set übergeben und er hat sich riesig drüber gefreut, weil das Ding hat damals 50.000 DM gekostet.“
Mit dem Zerfall der Sowjetunion brach der saarländische Geschäftsmann Boußonville wie so viele deutsche Unternehmer nach Osten auf, um dort deutsche Produkte zu verkaufen. „Stern des Ostens“ nannte er seine Firma, mit der er Fahrzeuge von Mercedes-Benz in Usbekistan verkaufte. Den Umsatz des Autobauers förderte er mit Schmiergeldzahlungen und Geschenken auch für Karimow, Präsident der gerade erst unabhängig gewordenen ehemaligen Sowjet-Republik. Karimow sollte das Land mit seiner Familie noch 20 Jahre lang brutal unterdrücken und ausbeuten. Für Boußonville sollten die Geschäfte in Zentralasien keinen guten Ausgang nehmen – trotz der Geschenke.
Auch die deutsche Politik wandte sich damals dem Osten zu. Politiker hielten Sonntagsreden über Demokratie und Rechtsstaat. Bundesländer wie das Saarland schlossen Partnerschaften, um den Kollegen in der ehemaligen Sowjetunion saubere Polizeiarbeit beizubringen. Dabei hatte der Rechtsstaat auch in Deutschland Kratzer: So bat der damalige Innenminister des Saarlands kurzerhand einige Unternehmer, darunter ein Geschäftsmann mit Mafia-Kontakten, das Abenteuer in Zentralasien zu finanzieren – die Gelder sollten nicht über den Haushalt, sondern über eine SPD-nahe Stiftung fließen.
Korruption: In bar, als Fahrzeuge für „gewisse Herren“
Busse für die Verkehrsbetriebe, Autos für das Innenministerium und den Geheimdienst und vor allem Kühlfahrzeuge lieferte Boußonville nach Usbekistan. Seine Geschäfte liefen gut. Aufträge im Wert von einer halben Milliarde DM habe er damals als Vertreter von Mercedes-Benz gewonnen, sagt Boußonville. Das wichtigste Mittel dabei: Schmiergeld. Bis zu zehn Prozent des Auftragswerts seien üblich gewesen. „Das ist mir einmal gesagt worden: Pass auf, hier läuft nichts ohne Bakschisch.“
Boußonville erzählt, wie er das Geld in bar nach Usbekistan gebracht und in den Ministerien einem Vertrauten des jeweiligen Ministers übergeben habe. „Wir haben uns verabredet zum Essen, haben gesoffen und vereinbart, dass ich am nächsten Tag ins Ministerium komme. Dann habe ich meine Umschläge dabeigehabt.“ Einmal sei er mit drei Millionen DM in jenem schwarzen Koffer nach Usbekistan geflogen, den er bis heute in seinem Haus in Völklingen aufbewahrt hat. Damit sei der Koffer zu drei Viertel gefüllt gewesen. Ein andermal sei er sogar mit fünf Millionen DM nach Taschkent geflogen.
Die Gelder habe Mercedes-Benz zuvor auf seine Konten bei Banken im Saarland überwiesen. So zum Beispiel im August 1993. 3,3 Millionen DM überwies Mercedes-Benz uns vorliegenden Unterlagen zufolge auf ein Konto von Boußonville. Der Geschäftsmann durfte über die Gelder erst verfügen, wenn der sein „Einverständnis zu der Auszahlung an die von Ihnen zu benennenden begünstigten Personen“ gab.
Boußonville erledigte die Übergabe des Schmiergelds in Taschkent – um die Sachgeschenke kümmerte sich der Stuttgarter Autobauer selbst. „Gewisse Herren“ müssten bedacht werden, hieß es dann in ihrem Schriftverkehr. Im Juli 1992 besuchte Werner Niefer, Vorstandschef von Mercedes-Benz, das Land und übergab dem Machthaber Karimow einen Mercedes 300 GD sowie einen 560 SEL.
„Kostenlos zur persönlichen Nutzung“, wie der Konzern unterstrich. „Diese Fahrzeuge gelten als persönliches Geschenk unseres Hauses. Wir wünschen Ihnen gute Fahrt und viel Freude mit diesen beiden Fahrzeugen.“
Ein Luxusbus für den Präsidenten
Zu den Geschenken für Karimow gehörte laut Boußonville auch ein Reisebus von Mercedes-Benz, er gibt heute den Wert mit einer Million Deutsche Mark an. „Das war super Luxus, mit weißem Leder bezogen, Einzelsitze wie im Flugzeug. Und dann eine Mordsklimaanlage. In fünf Minuten wurde der Bus auf 20 Grad gekühlt.“
Schmiergeld in Deutschland steuerlich absetzbar
In den 1990er Jahren waren Schmiergeldzahlungen nach deutschem Recht möglich. Übersehen wird allerdings oft, dass die Schmiergeldzahlungen im Land der Empfänger gegen das dortige Recht verstießen. Doch das interessierte in Deutschland kaum. Schließlich war das Schmiergeld hier von der Steuer absetzbar. Bei größeren Summen stimmten sich Konzerne schon einmal vorab mit dem Finanzamt ab.
Das änderte sich erst mit dem ab 1999 gültigen Gesetz gegen internationale Bestechung. Schmiergeld war fortan steuerlich nicht mehr absetzbar – es floss jedoch weiter, weil weder Justiz noch Politik sich für die Schattenseiten der deutschen Exporterfolge interessierten. Die deutschen Exporteure reduzierten lediglich die Prozentsätze und bemühten sich, die Zahlungsströme vor dem Finanzamt zu verbergen. Von Staatsanwaltschaften hatten sie gewöhnlich nichts zu befürchten.
Das änderte sich erst, als Mitte der 2000er Jahre die US-Justiz auf jene Schmiergeldsysteme aufmerksam wurden, die deutsche Konzerne jahrzehntelang gepflegt hatten – darunter auch Daimler. 2010 schließlich einigte sich der Autobauer mit den US-Behörden auf eine Strafzahlung wegen Bestechung. Die Ermittler in den USA warfen dem Konzern unter anderem vor, für einen Deal von über 37 Millionen Euro für den Verkauf von 302 Bussen und vier Vans usbekischen Regierungsbeamten in den Jahren ab 1998 3,5 Millionen Euro Schmiergeld gezahlt zu haben. Eine Sprecherin von Daimler teilt auf Anfrage mit, dass man diese lange zurückliegenden Fälle ausdrücklich bedauere. Man habe sich von den involvierten Mitarbeitern getrennt und inzwischen ein robustes System von internen Kontrollen aufgebaut.
Tauschgeschäfte: Baumwolle gegen Fahrzeuge
Auch Albert Boußonville erzählt, dass er die Bargeldkasse am Hauptsitz von Mercedes-Benz in Stuttgart einmal kennen lernte. Laut dem Abkommen mit den USA existierte sie noch bis 2002. Zu der Zeit war er jedoch schon nicht mehr mit von der Partie. Einige Jahre lang war alles bestens für ihn gelaufen. Karimow besuchte seinen Firmensitz im Saarland. Denn der Geschäftsmann hatte wichtige Aufgaben für das Land übernommen. So half er, Abnehmer für usbekische Baumwolle zu finden, eines der wichtigsten Güter des Landes. Mit den Erlösen – manchmal waren es auch simple Tauschgeschäfte – finanzierte das Land unter anderem die Fahrzeuge aus dem Ausland und damit auch die Schmiergelder für die eigenen Politiker.
Mit zwei Tonnen Gold nach Frankfurt
Boußonville erzählt, wie er einmal in der Maschine von Islam Karimow mit zwei Tonnen Gold – die Muruntau-Mine in Usbekistan zählt zu den größten Vorkommen der Welt – nach Frankfurt flog und das Edelmetall dort bei der Deutschen Bank deponierte. Diese habe damit Kredite für das Land garantiert. Boußonville flog weiter nach Stuttgart, lud dort Fahrzeuge für seine Freunde in Usbekistan ein und flog zurück nach Zentralasien. Boußonville lebte in Saus und Braus. „Geld bedeutete mir nichts. Ich habe alles in ein gutes Leben investiert.“