Krankenhausplan Saar: Höhere Risiken für Patienten

Bei schwierigen OPs sind Mindestmengen vorgeschrieben, damit die Ärzte mehr Routine bekommen. Die Kliniken müssen sich deshalb stärker spezialisieren, um höhere Fallzahlen zu erreichen. Die Landesregierung hätte dies im Krankenhausplan festschreiben müssen. Hat sie aber nicht. Die Folge: Höhere OP-Risiken für Patienten.

Geringster Spezialisierungsgrad deutschlandweit 

Die hohe Anzahl der vergleichsweisen kleinen Krankenhäuser im Saarland (siehe Saarlandinside-Bericht vom 5. Dezember) birgt ein schwerwiegendes Problem: Der Spezialisierungsgrad der Kliniken ist im Saarland bundesweit am geringsten. Nur 27 Prozent der Häuser sind eine Fachklinik, sagt der Projektbericht des „Institute for Health Care Business“ des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsförderung aus dem Jahre 2016. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 46 Prozent. Die im Januar in dem medizinischen „Qualitätsmonitor 2019“ der AOK veröffentlichten Fakten verdeutlichen das fachlich fragwürdige Handeln der Saarländischen Landesregierung bei diesem sensiblen Thema.

Gefahr für Komplikationen in kleinen Häusern höher

Die fehlende Spezialisierung führt dazu, dass die Krankenhausärzte bestimmte komplizierte Operationen seltener durchführen. Für diese Eingriffe haben sie also zwangsläufig vergleichsweise weniger Routine. Die Auswirkungen sind für die Patienten unter Umständen dramatisch, denn dadurch erhöht sich für die betroffenen Patienten das Risiko von Komplikationen und letztendlich das Risiko, bei einer schwierigen Operation zu sterben.


DAS PATIENTENRISIKO ist bei komplexen Operationen erhöht, wenn die Klinik nicht spezialisiert ist
und keine ausreichende Anzahl von Operationen vorweisen kann.   Foto: Adobe

Weniger Routine, höheres Komplikations-Risiko

Die 2016 veröffentlichte Studie „Faktencheck Krankenhausstrukturen“ der Bertelsmann-Stiftung ist nur eine von mehreren Studien, die feststellen, dass die Qualität in Kliniken mit hohen Fallzahlen höher ist. Der Umkehrschluss: In kleinen Krankenhäusern mit kleinen Fachabteilungen und bei Operateuren mit wenig Erfahrung ist die Gefahr größer, dass es zu Komplikationen kommt oder die Patienten sterben, so die Untersuchung. So sterben zum Beispiel nach einer Brustkrebs-Operation in Krankenhäusern mit niedriger Fallzahl dreimal mehr Patienten als in Häusern, für die derartige Operationen Routine sind. Die Empfehlung der Studie: Krankenhäuser sollen sich spezialisieren und verbindliche Mindestmengen für komplizierte Operationen eingeführt werden.

Vorgeschriebene Anzahl an OPs nicht erreicht

Genau aus diesem Grund schreibt der „Gemeinsame Bundesausschusses zur Qualitätssicherung im Krankenhaus“ (GBA), der im Sozialgesetz eingeführt wurde, die Einhaltung von Mindestmengen bei komplexen medizinischen Leistungen vor. Wegen der kleinteiligen Strukturen und des geringen Spezialisierungsgrades haben die saarländischen Krankenhäuser jedoch in manchen Fällen nur geringe Fallzahlen und erreichen teilweise die vorgeschriebenen Mindestmengen nur knapp oder sogar gar nicht. So hat im Jahr 2014 die Uniklinik in Homburg beispielsweise nur 20 Nierentransplantationen durchgeführt. Die vorgeschriebene Mindestmenge für diese Operation liegt bei 25 jährlich.

Welche Kliniken haben mehr Erfahrung?

Der „Qualitätsmonitor 2019“ der AOK listet aktuellere Zahlen auf: Eingriffe an der Speiseröhre haben 2016 das Klinikum Neunkirchen einmal und das städtische Klinikum Saarbrücken dreimal vorgenommen. Die Mindestmenge liegt bei jährlich 10 Operationen. Weiteres Beispiel die Zystektomie, die Entfernung einer Harnblase. Im Caritasklinikum Saarbrücken wurde die OP 2016 nur zweimal und im Klinikum der Diakonie in Neunkirchen sechsmal durchgeführt. Im Vergleich dazu: im gleichen Jahr hat das städtische Klinikum Saarbrücken 23 dieser Operation durchgeführt, die Uniklinik in Homburg 86.

Empfehlungen der Gesundheitsexperten ignoriert

Vorschläge zur Verbesserung dieser Situation lagen der Gesundheitsministerin Bachmann bei den Beratungen zum saarländischen Krankenhausgesetz im Frühjahr 2018 auf jeden Fall auf dem Tisch. Sie hat jedoch die Empfehlungen von renommierten Gesundheitsexperten zur Bildung von fachlichen Schwerpunkten ignoriert: Der RWI-Projektbericht hatte dem Saarland eindeutig empfohlen, Mindestmengen einzuhalten, Überkapazitäten abzubauen und Doppelstrukturen, unter anderem in den Bereichen Kardiologie und Gefäßchirurgie, abzubauen.

„Zukunftsorientierte Entscheidungen versäumt“

„Das RWI-Institut hat klare Handlungsfelder benannt und Verbesserungspotentiale aufgezeigt. Leider wurden bei der Erstellung des Krankenhausplans 2018 bis 2025 im Saarland diese Potenziale nicht genutzt“ so der Leiter des saarländischen Landesverbandes des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) Martin Schneider. „Mit dem Krankenhausplan hätte das Land die notwendigen Weichen für eine stärkere Konzentration und Zukunftsfähigkeit der Saarländischen Krankenhauslandschaft stellen können. Diese zukunftsweisenden Entscheidungen hat man mit dem nun vorliegenden Krankenhausplan versäumt.“ Auch der Geschäftsführer der Saarländische Krankenhausgesellschaft, Thomas Jakobs, bestätigte auf Nachfrage von Saarlandinside, dass der Qualitätsindikator  Mindestmengen in der Landeskrankenhausplanung keine Berücksichtigung gefunden habe.

„Krankenhausgesetz entbehrt einer Logik“

Eine saarländische Gesundheitsexpertin wird hinter vorgehaltener Hand deutlicher. Das saarländische Krankenhausgesetz entbehre einer Logik, so die Aussage. Der offensichtliche Grund: Da zum Zeitpunkt der politischen Diskussion des Krankenhausgesetzes auch die Schließung der St.-Elisabeth-Klinik in Wadern hohe Wellen schlug, wollte Gesundheitsministerin Bachmann vermeiden, mit dem Gesetz weitere politischen Diskussionen zu entfachen. Die Umsetzung der Empfehlung hätte die Schließung weiterer kleiner Krankenhäuser zur Folge gehabt.

Fahrzeit spielt kaum eine Rolle

Auch das Argument, bei weniger Krankenhäuser würde die Fahrzeit zur Klinik verlängert, greift nicht. Die Bertelsmann-Studie kommt zum Ergebnis: Die Fahrzeit erhöht sich durchschnittlich nur zwischen zwei bis fünf Minuten. In Anbetracht der damit verbundenen Verbesserungen für die Patienten eine minimale Auswirkung, die auch die saarländischen Lobbyisten für ein Beharren auf den kleinteiligen Krankenhaus-Strukturen überzeugen sollte.

Fazit: Es geht um bessere Qualität und geringere Risiken für die Patienten. Der Bundesgesetzgeber macht deshalb Vorgaben bei Mindestmengen für verschiedene OPs. Die Experten und die saarländischen Krankenkassen haben dazu Vorschläge gemacht: eine stärkere Spezialisierung der Kliniken. Dies bringe den Ärzten mehr Routine und Erfahrung und den Patienten weniger Komplikationsrisiken.

Eine bessere fachliche Qualität der Kliniken bedeutet aber auch, dass kleinere Kliniken, denen ohnehin die Mittel und die Fachärzte für eine Spezialisierung fehlen, keine wirtschaftliche Überlebenschance haben. Das Saarland hat ohnehin zu viele Kliniken. Die Landesregierung lehnt aber eine Neuordnung ab, aus niederen, wahltaktischen Beweggründen. Sie fürchtet lokale Widerstände.

Das Krankenhausgesetz müsste also dringend überarbeitet werden. Martin Schneider vom Verband der Ersatzkassen wird nicht müde zu betonen, dass die Kassen dafür zur Verfügung stehen.

Quellen: 
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Institute for Health Care Business GmbH,„Überblick Krankenhausstrukturen Rheinland-Pfalz und Saarland“
IGES-Institut: „Faktencheck Krankenhausstrukturen – Spezialisierung und Zentrenbildung“
Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft: Qualitätsmonitor 2019, Hrsg: Jürgen Klauber, Wissenschaftliches Institut der AOK, Dr. Franz Dormann, Gesundheitsstadt Berlin e.V., Prof. Dr. Ralf Kuhlen, IQM Initiative Qualitätsmedizin e.V.
Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Krankenhausplan für das Saarland 2018 bis 2025