Im Windschatten von Corona und Russland-Krieg hat die Landesregierung in den letzten fünf Jahren 1.415 neue Jobs geschaffen. Sachlich notwendig war das nur zum Teil.
Das Saarland hat seit Jahren die höchste Pro-Kopf-Verschuldung unter den Flächenländern. Um die Länder mit einer undisziplinierten Ausgabenpolitik zum Sparen zu zwingen, kam 2009 die Schuldenbremse. Neue Kredite waren nur noch ausnahmsweise erlaubt. Stattdessen waren Sparpläne gefragt. So hatte 2011 hatte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC Strukturen, Arbeitsabläufe und Einspar-Potenzial in den Saar-Ministerien untersucht. Ergebnis: Das Land lebe über seine Verhältnisse. Es leiste sich -bezogen auf die Einwohnerzahl – zu viel. Auch zu viel Personal, schrieb die Saarbrücker Zeitung damals.
Wegen Schuldenbremse bis 2020 Personal abgebaut
PWC rechnete vor, dass eine effizienter organisierte Landesverwaltung 226 Millionen Euro bis zum Jahre 2020 sparen könne, überwiegend durch Stellenabbau. Justament zu dieser Zeit (2012) hatte die Landesbehörden mit 22.621 Beschäftigten den Personalhöchststand erreicht. CDU und SPD vereinbarten dann im Koalitionsvertrag 2012 bis 2020 rund 2.400 Stellen abzubauen, bei einem altersbedingten Ausscheiden von 7.000 Mitarbeitern in diesem Zeitraum keine Herkulesaufgabe. Die Gewerkschaften legten sich aber quer; die Sparpläne kamen vom Tisch. Immerhin: Bis 2020 wurden genau 1.340 Stellen eingespart.
Sonderschulden für Corona und Russland-Krieg
Dann kamen die Corona-Pandemie 2020 und die russische Invasion in die Ukraine 2022. Das sind neue Notlagen, stellten Landesregierung und Landtag fest, und da dürften trotz Schuldenbremse neue Kredite gemacht werden. Was die Landesregierung reichlich nutzte: 1,4 Milliarden Euro für Corona- und 2,4 Milliarden für Kriegsfolgen. Zwar durfte sie nur Kredite zur Überwindung der Notsituation aufnehmen, die Landesregierung nutzte aber die Chancen der Krisen und schöpfte aus den Vollen. Der Hintergedanke: Die Versäumnisse früherer Jahre und neue Leuchtturmprojekte sollten im Windschatten von Corona und Putin endlich finanzierbar sein.
Hunderte Millionen Euro Zusatzschulden im Kopplungsgeschäft
Zusätzlich zu den Schulden für Corona- und Kriegsfolgen-Bekämpfung holten sich Regierung und Landtag von den Banken deshalb eine satte Aufstockung der Corona- und Kriegskredite von mehreren Hundert Millionen Euro für Projekte, die in überhaupt keinem Zusammenhang mit den Krisen standen, u.a.:
● 100 Millionen Euro für schnelles Internet (Landesrechnungshof, LR: Bedarf gab es schon vorher),
● 50 Millionen Euro für „Moderne Mobilität“ (LR: nicht kontrollierbar weil inhaltlich beliebig),
● 125 Millionen Euro für den Krankenhausfonds (LR: deckt langjährige Probleme der Krankenhausfinanzierung zu),
● 350 Millionen Euro für das IT-Sicherheitszentrum CISPA (schon Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer träumte davon) und
● 100 Millionen für jahrzehntelang versäumte Schulsanierungen.
Die Steuerzahler, die die Milliardenlast (inkl. Zinsen) zurückzahlen müssen, wurden über die Dringlichkeit und Unabwendbarkeit der Projekte getäuscht. Staatsrechtler beurteilten die Praxis als verfassungswidrig. Steuerzahlerbund und AfD schlossen sich dem an. SPD und CDU scherte das nicht.
Pandemie und Russland-Krieg ein Chance für das Saarland
Nicht wenige in der Landespolitik werden Pandemie und Russlands Aggression als Chance und Segen für das Land empfunden haben. Denn ohne die globalen Krisen würden im Saarland weder Schultoiletten noch Krankenhäuser saniert noch das Internet schneller und der Stahl grüner. Tiefrot wurde dagegen der Schuldenstand des Landes mit mehr als 17 Milliarden Euro und der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung unter den Flächenländern.
1.415 neue Planstellen innerhalb von fünf Jahren
Der Überschwang des Schuldenmachens seit Corona griff bald auf die Personalpolitik über. Schuldenbremse und Sparen adé – Die Ministerien stellten von 2021 bis 2025 genau 1.415 zusätzliche Mitarbeiter ein. Nur ein Teil davon lässt sich sachlich begründen: die Verstärkung der Polizei zum Beispiel (142 Stellen), mehr Lehrer für Grund- und Gemeinschaftsschulen (500) und für die Sprachförderung für Asylsuchende und Ukraine-Flüchtlinge, die zuvor freie Träger leisteten (121 Stellen). Die Klinik für Forensische Psychiatrie bekam auf einen Schlag 96 Stellen mehr. Der Bedarf an Plätzen für drogenabhängige Straftäter muss enorm sein.

Insbesondere kurz nach der Landtagswahl der Run auf neue Jobs
Auffällig ist der Personalboom in 2022/23. Die SPD hatte gerade in der Landtagswahl die absolute Mehrheit erreicht. Die Minister holten sich allein in diesen beiden Jahren 662 neue Planstellen für ihre Verantwortungsbereiche, die 98 Stellenabgänge aus dem Landesstraßenbau zur Autobahn-GmbH des Bundes nicht mit eingerechnet. Eine Erklärung: Die CDU musste die Staatskanzlei und vier Ministerien für die SPD räumen. Politischem Wechsel folgt immer auch großer Personalwechsel. So wurden bisherige Ministerial-Beschäftigte mit parteipolitischem Hintergrund der Vorgängerregierung in die Linie versetzt oder wegbefördert. Sie machten Platz für die neuen Partei-Ideologen im Minister-Umfeld und auf anderen Schlüssel-Positionen.
Entlohnungssystem fürs Plakate kleben im Wahlkampf
In der Politik ist es seit Jahrzehnten Praxis, engagierte Parteimitglieder mit einem lebenslangen Job bei der Regierung zu belohnen. Plakate kleben im Wahlkampf soll sich auszahlen. Das hat enorme Nachteile für die öffentliche Verwaltung. Nicht immer bekommen die Besten und Sachverständigsten den Job, was wiederum zusätzlichen Personalbedarf schafft.
◆ Zudem werden die von den Parteien für höhere Aufgaben Vorgesehenen, z.B. für ein Bürgermeisteramt, in der Landesverwaltung geparkt und aufgebaut. Und wer in einem Kommunalwahlkampf unterlegen war, darf zur Belohnung auf einen guten Job im Ministerium hoffen.
◆ Parteimitglieder mit Mandat in ihren Kommunen und Kreisen genießen erstaunliche Freizeiten im Dienst für die Parteigremienarbeit im Ortsverein oder Kreisverband.
◆ Auch mit dem Hocharbeiten durch eigene Leistung ist das so eine Sache: Wer in der Landesverwaltung keine Parteinähe und damit Fürsprecher hat, hat weniger Chancen auf Beförderung.
◆ Was die Bediensteten stört, ist die Praxis bei der Besetzung von Positionen. Führungspositionen wie die der Abteilungs- und vieler Referatsleiter werden schon gar nicht mehr oder wenn, dann häufig pro Forma ausgeschrieben. Die Personalräte können ein Lied davon mit-singen.
◆ Einige Stellen tauchen im Stellenplan überhaupt nicht auf, denn sie werden über Sachkosten finanziert.
◆ Langjährige Führungskräfte in den Ministerien schätzen den Anteil der „Partei-Karrieren“ am Personal auf um die 30 Prozent.
Was anerkannt werden soll: Unter den Parteileuten im Staatsdienst arbeiten auch hervorragende Leistungsträger.
Der öffentliche Dienst im Saarland hat die höchste Krankenlast bundesweit
Eine speziell saarländische Belastung des öffentlichen Dienstes ist der hohe Krankenstand. Generell sind die saarländischen Arbeitnehmer im Bundesvergleich am häufigsten und längsten krankgeschrieben. Das sagen die Krankenkassen: Die meisten Fehl-Tage fallen in der öffentlichen Verwaltung an. Im Saarland melden sich 76 Prozent der Beamten und Angestellten mindestens einmal im Jahr krank (Saar-Durchschnitt aller Branchen 63 Prozent). Noch größer ist der Unterschied im Bundesvergleich: Mitarbeiter von Saar-Behörden sind 50 Prozent krankheitsanfälliger. Wem Anerkennung und Wertschätzung fehlen, wer unter ungerechter Verteilung der Arbeit und Entlohnung leidet, bei Beförderungen benachteiligt wird, bekommt psychischen und physischen Stress, heißt es in einem Report der AOK. Oder geht in die innere Kündigung.

Der öffentliche Dienst im Saarland hat die höchste Krankenlast bundesweit.
88 Prozent der Saar- Finanzbeamten fühlen sich nicht wertgeschätzt
Eine Befragung der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG) im letzten Jahr unter den 1.250 Beschäftigten in den saarländischen Finanzämtern war für Finanzminister von Weizsäcker kein Ruhmesblatt: 87 Prozent der Beschäftigten schätzten ihre Arbeitsbelastung als hoch oder sehr hoch ein, 88 Prozent waren mit der Wertschätzung durch den Dienstherrn unzufrieden. Zur Entlastung hatte der Minister zuvor schon 36 neue Finanzfachleute eingestellt, dann die „Steuerliche Automation“ ausgebaut – und dafür zusätzlich 73 (!) Beschäftigte eingestellt.
Personalzuwachs in der Größenordnung eines ganzen Ministeriums
Von der systematischen Personalvermehrung profitierten nicht nur Polizei, Schulen und forensische Psychiatrie, ein beachtlicher Zuwachs floss auch in die allgemeine Verwaltung. Seit 2021 haben die Ministerpräsidentin und ihre Minister in ihrem Umfeld 282 neue Stellen eingerichtet. Zur Verdeutlichung: Dies ist mehr als die normale Belegschaft eines ganzen Ministeriums. Die größten Profiteure sind Sozialminister Jung (69 Stellen plus), Umweltministerin Berg (67) und Innenminister Jost (64).

Staatskanzlei mit 45 Prozent mehr Personal
Die Personalchefs der Ministerien greifen für die Stellenvermehrung schon mal in die Trickkiste: Als die Abteilung Wissenschaft und Technologie 2023 mit 48 Mitarbeitern von der Staatskanzlei zum Finanzminister abwanderte, gingen nur 25 Planstellen mit, 23 blieben bei der Ministerpräsidentin; seither haben sich ihr politisches Marketing und ihre Social Media-Aktivitäten deutlich erweitert. Die Staatskanzlei hat heute 135 Beschäftigte. 2020 waren es noch 93, ein Zuwachs um 45 Prozent (!).
Unterm Strich: Die saarländischen Steuerzahler finanzieren ihre Landesbediensteten mit 2,1 Milliarden Euro für Löhne, Lohnnebenkosten und Versorgung, macht 93.000 Euro pro Arbeitskraft. Arbeitsplatzkosten und IT-Ausstattung nicht mit eingerechnet. 42 Prozent des Landeshaushalts sind reine Personalkosten.
Fazit: Die Parteienversorgung und die Moral
Mehr als 130.000.000 Euro im Jahr kostet die Stellenvermehrung zunächst durch die GroKo und danach stärker durch die SPD-Alleinregierung. Hochgerechnet auf die durchschnittliche Lebensarbeitszeit von 40 Jahren wird mit den Einstellungswellen eine Last von mehr als fünf Milliarden Euro aufgeschoben, ohne Zinsen. Dies entspricht dem kompletten Haushaltsplan des Landes eines Jahres. Die Parteien greifen dafür denen in die Tasche, die noch gar nicht geboren sind.
Ein beachtlicher Teil ist der Selbstbedienungsmentalität in der Politik und der Parteienversorgung geschuldet. Diese jahrzehntelange Unkultur hat die Saarländer abgehärtet. Seine (Partei-)Freunde und Spezis „beim Staat unnerbringe“ gilt als normal. Es stellt sich aber die Frage nach der Moral: In welchem Umfang erlauben wir Parteien, ihr Personal zu versorgen, wenn unsere Urenkel noch dafür zahlen müssen?
Lesen Sie dazu auch die früheren Saarlandinside-Berichte:
Im Schleusersystem auf einen Job im Ministerium (2017)
Mit 32 Jahren Qualitäts-Chefin über 9500 Lehrer (2017)
Quellen: Haushaltspläne des Landes