Saarländerinnen erkranken im Bundesvergleich am häufigsten an Krebs der Genitalorgane (RKI). Auslöser sind u.a. humane Papillomviren (HPV). Jungen und Mädchen zu impfen würde helfen. Die Impfbereitschaft sinkt aber, sagt die BARMER Krankenkasse. Saarlandinside-Gesundheitsreport Teil X.
In den Bundesländern finden sich im Saarland seit mehreren Jahren die höchsten Erkrankungsraten an bösartigen Neubildungen der Vulva wie auch des Gebärmutterhalses.
Robert Koch-Institut (RKI) „Krebs in Deutschland“
Plakat der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Saarland zu sexuell übertragbaren Infektionen, die bösartige Erkrankungen im Genitalbereich auslösen können. © BZgA
So sieht es im Saarland mit dem weiblichen Genitalkrebs aus
Bei Gebärmutterhalskrebs auf Platz 4: Hauptursache sind die humanen Papillomviren. Risikofaktoren: Rauchen, andere sexuell übertragbare Erreger, früher Beginn der sexuellen Aktivität. Die Langzeit-Einnahme der „Pille“ erhöht das Risiko leicht (RKI).
Bei Gebärmutterkrebs auf Platz 2: Risikofaktoren sind langfristiger Östrogeneinfluss, der 80 Prozent dieser Karzinome ausmacht, und Übergewicht, da es zu einer erhöhten Produktion von Östrogen im Fettgewebe führt (DEXIMED, medizinisches Informationssystem für Hausärzte).
Höchste Inzidenz bei Krebs der Vulva: Risikofaktoren sind u.a. eine chronische Infektion mit HPV und Rauchen. Betroffen sind meist jüngere Frauen (RKI). Das Saarland hat hier bundesweit die höchste Erkrankungsrate.
Rekord auch bei Mund- und Rachenkrebs: Noch eine bösartige Erkrankung, bei der saarländische Frauen einen traurigen Deutschland-Rekord verbuchen: beim Krebs in Mundhöhle und Rachen (RKI). Die Männer liegen hier im Mittelfeld. Hauptauslöser sind Zigaretten und Alkohol. Aber auch HPV-Infektionen können Krebs im Mund auslösen, häufig werden die Viren durch oralen Sex übertragen. (DEXIMED).
An HPV-bedingtem Krebs erkranken 100 bis 150 Menschen, darunter 60 bis 70 an Gebärmutterhalskrebs und 40 an Analkarzinomen (Saar-Gesundheitsministerium zum Welt-HPV-Tag am 4. März 2024). Der Vollständigkeit halber: Bei Brustkrebs und Eierstockkrebs liegt das Saarland besser als der deutsche Durchschnitt. Insgesamt erkranken im Saarland pro Jahr 430 Frauen an Krebs der Genitalorgane, 950 an Brustkrebs (Krebsatlas Saar).
Sexuell übertragbare HP-Viren erhöhen Krebsrisiko
Beim Krebs der Vulva und des Gebärmutterhalses kommt das Hauptrisiko durch HP-Viren, von denen es etwa 200 Arten gibt. HPV-Infektionen zählen zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Mit der Anzahl der Sexualpartner steigt das Krebsrisiko (DEXIMED). Die meisten sexuell aktiven Menschen infizieren sich mindestens einmal im Leben (RKI).
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt deshalb die HPV-Impfung für alle Jugendlichen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Sie sollte vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen, da sie nach bereits eingetretener HPV-Infektion wirkungslos ist. Eine Umfrage unter jungen Frauen in Deutschland zeigt, dass 70 Prozent der Befragten vor dem 18. Lebensjahr und weniger als fünf Prozent vor dem 14. Lebensjahr erstmals Geschlechtsverkehr hatten.
Impfung senkt Krebsrisiko deutlich
Durch eine HPV-Impfung lassen sich Gebärmutterhalskrebs, vor allem auch die Tumoren des Kehlkopfs, Penis und Anus sowie von Vulva und Vagina senken. Studien belegen den Erfolg, einen deutlichen Rückgang bei Krebsvorstufen und Gebärmutterhalskarzinomen (RKI).
Prof. Grandt sieht gute Wirksamkeit der Impfung
Prof. Dr. Daniel Grandt ist Chefarzt der Inneren Medizin I im Klinikum Saarbrücken und Autor der Krebsstudie. Foto: Klinikum Saarbrücken
„Wir sehen in der Altersgruppe 20 bis 29 Jahre die niedrigste Rate an Neuerkrankungen für Gebärmutterhalskrebs seit dem Jahr 2011. Dieser Effekt ist bei den Frauen zwischen 30 und 39 Jahren, die noch nicht von der Impfung im Kindesalter profitieren konnten, nicht zu beobachten“, sagt Studienautor Prof. Dr. med. Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken.
BARMER: Vor allem bei Jungen sinkende Impfrate
Wenn sich genügend Jugendliche impfen lassen, kann eine Herdenimmunität entstehen. Obwohl die Krankenkassen die Impfung zahlen, sei „leider die Impfbereitschaft zu gering,“ klagt Saar-Gesundheitsminister Magnus Jung. Vor allem bei den Jungen, für die erst seit 2018 die Impfung empfohlen wird, sinke bundesweit die Impfrate, schlägt die BARMER in ihrem Arzneimittelreport 2024 Alarm. Im Saarland liegt sie für 13jährige bei 21,5 Prozent, deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Von den 17jährigen Mädchen, die seit 2007 geimpft werden, sind 62 Prozent vollständig geimpft, jedes fünfte Mädchen nicht. Das entspricht dem Bundesmittel.
Saarländisches Krebsregister lokalisiert den Handlungsbedarf
Präventionsmediziner vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg verweisen darauf, dass allgemeine Impfappelle der Gesundheitsbehörden meist ungehört verhallen. Stattdessen sollen die gefährdeten Kinder und ihre Eltern konkret in ihrer individuellen Lebenswelt angesprochen werden. Gesundheitsminister Jung hätte dafür ein ideales Instrument: das Saarländische Krebsregister. Es weist alle Krebs-Hotspots im Saarland aus, auch die Orte mit den meisten HPV-relevanten Krebserkrankungen. Es böte sich an, dort die Eltern und ihre Söhne und Töchter stärker aufzuklären und gezielt Impfangebote zu machen.
Quellen:
Krebsatlas – Häufigkeit von Krebserkrankungen in den saarländischen Städten und Gemeinden 2010-2019, Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit
Zentrum für Krebsregisterdaten – Robert Koch-Institut (RKI)
BARMER Arzneimittelreport 2024
Mehr Themen im Dossier „Gesundheitsreport Saarland“
- Saarländer sind die kränksten Deutschen
- Krebsatlas Saar: Die Orte mit niedrigen und hohen Krebsraten
- Krebsrisiko und Esskultur: Das Lyoner-Dilemma der Saarländer
- Hütten, Bergwerke und hohe Krebsraten im Saarland
- Wer weniger verdient, stirbt früher: Saar-Landkreise im Vergleich
- Warum der soziale Status von drei Saar-Landkreisen so schlecht ist
- Die finanzielle Notlage des Saarlandes schädigt auch die medizinische Versorgung
- Die Übersterblichkeit in den saarländischen Gemeinden
- Saarland mit den meisten und längsten Krankenscheinen