In der Freiwilligen Feuerwehr Saarbrücken schwelen Frust und Enttäuschung. Die Stadtverwaltung vernachlässige sie sträflich, so der Vorwurf. Als ein neuer Wehrführer dagegen aufbegehrt, wird er kurzerhand abgesetzt. Saarlandinside-Serie Teil 4.
750 Männer und Frauen in 17 Löschbezirken sorgen gemeinsam mit 190 Berufsfeuerwehrleuten dafür, dass Brände schnell gelöscht und Menschen gerettet werden. Ehrenamtlich und hoch motiviert. Sie opfern dafür Freizeit und Zeit mit der Familie. Die Ehrenamtler sind körperlich fit und bestens ausgebildet. Die Leistungsbereitschaft stimmt.
Geringschätzung statt Wertschätzung
Eine leistungsfähige Truppe, vor Ort in den Stadtteilen immer einsatzbereit, ist also unverzichtbar für die Sicherheit der Saarbrücker. Unbezahlbar, was sie an Arbeitsstunden unentgeltlich leisten. Sie verdienen Respekt, Anerkennung und Wertschätzung. Was mehrere Feuerwehrleute bei Recherchen von Saarlandinside glaubhaft darlegen und was aus den eingesehenen Akten hervorgeht, deutet eher auf Geringschätzung und Vernachlässigung der 17 Wehren durch die Stadtverwaltung hin.
Professionalität der Freiwilligen Feuerwehr
Rückblende 30. April 2017. 414 Feuerwehrleute wählen überraschenderweise mit Marc Denzer einen jungen, dynamischen und erfahrenen Kollegen als Wehrführer an ihre Spitze. Er soll sich bei Politik und Verwaltung für die Interessen der Löschbezirke stark machen. Denzers Angebot an die Stadtverwaltung: „die große Professionalität der Freiwilligen Feuerwehr nutzen“. Es geht u. a. um sichere Brandschutzkleidung, bedarfsgerechte Feuerwehrhäuser, mehr Transparenz und weniger Gemauschel bei städtischen Entscheidungen in Sachen Wehr. Dies steht in einem Schreiben vom 19. Februar 2018 an Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD), das Saarlandinside vorliegt.
Mehr Transparenz, weniger Gemauschel
Transparenz und Gemauschel? Das sind Reiz-Vokabeln für die Verwaltungsspitze. Britz und ihr Feuerwehr-Dezernent Harald Schindel (Linke) haben schon mit Machenschaften bei der Berufsfeuerwehr zu kämpfen und kassieren reihenweise juristische Niederlagen gegen den abgesetzten Chef Josef Schun. Kommunal- und OB-Wahl stehen am Horizont.
Feuerwehr wird kaltgestellt
In dem Schreiben vom 19. Februar 2018 legt Marc Denzer der Oberbürgermeisterin seine Stellungnahme zum Bedarfs- und Entwicklungsplan für die Feuerwehren vor. Die Freiwilligen, die laut Saarländischem Brand- und Katastrophenschutzgesetz (SBKG) die Verwaltungsspitze beraten sollen, werden zunächst außen vor gelassen. Dezernent Schindel rückt auch erst nach langem Hin und Her den Plan heraus: von Mitsprache der Freiwilligen keine Spur, denn der Plan ist bereits fertig. (Eine Anfrage von Saarlandinside zum Bedarfs- und Entwicklungsplan hat die Stadtverwaltung nicht beantwortet.)
Ein Schlag ins Gesicht der Ehrenamtlichen
In Denzers Schreiben machen sich die Feuerwehrchefs und -führer der 17 Bezirke erst mal Luft: „Wir lehnen den Plan mit seinen fachlichen Fehlern, Verstößen gegen Gesetzesgrundlagen im Feuerwehrwesen in scharfer Form ab. Dieser Bedarfs- und Entwicklungsplan ist einen Schlag ins Gesicht aller Feuerwehrangehörigen.“ Es folgt eine fachliche Stellungnahme mit detaillierten Vorschlägen, die Saarlandinside vorliegen.
Unterordnung statt Zwei-Säulen-Modell
Dabei geht es auch um den Stellenwert der Freiwilligen Feuerwehren. Nach dem gesetzlich geforderten Zweisäulen-Modell sollen sie auf Augenhöhe mit der Berufswehr arbeiten. Der Plan sieht aber eine Unterordnung vor. Als „Backup“ der Berufswehr in der zweiten Reihe, die ungeliebten Dienste bei Veranstaltungen schieben und bei ungemütlichen Unwettern ausrücken sollen. Diese Herabwürdigung wollen sie nicht akzeptieren.
In die zweite Reihe gestellt
Den Einsatz und die Abstimmung vor Ort regelt das Brandschutzgesetz. Die Einsatzleitung übernimmt der ersteintreffende Einheitenführer. Es habe sich eingebürgert, dass die Berufswehr bei ihrem Eintreffen von den zuerst eingetroffenen Freiwilligen wie selbstverständlich das Kommando übernimmt. Auch hier deutliche Kritik der Löschbezirke.
Erheblicher Sanierungsbedarf in den Feuerwehrhäusern
Weitere Knackpunkte: Fast alle Feuerwehrhäuser der Löschbezirke seien in einem maroden Zustand. Es bestehe Unfallgefahr. Selbst die sanierten Gebäude entsprächen nicht der Norm. Die Stadt stelle zu wenig Geld zur Verfügung. Kritikpunkt Sicherheit: Weil die Stadt spare, hätte es Jahre gedauert, bis alle Löschbezirke sichere Brandschutzkleidung bekommen haben. Einige Feuerwehrleute hätten geeignete Überhosen privat angeschafft, in anderen Fällen seien Fördervereine eingesprungen. Auch stünden ihnen zu wenig Diensthemden und -Shirts zur Verfügung. Die Anschaffung wäre eine Kleinigkeit für die Stadt, sie würde aber die Wehrleute zufrieden stellen.
Auf Schindel „dienstlich kein Verlass“
Die Experten machen darauf aufmerksam, dass die Stadt nach der uralten Brandschutzsatzung von 1990 arbeite: „Saarbrücken macht einfach nichts.“ Das hängt laut Insidern vor allem mit der Person Harald Schindel zusammen. Auf Schindel sei dienstlich kein Verlass. Er sei notorisch unpünktlich, komme zu Besprechungen manchmal eine Stunde zu spät. Dann hänge er nur an seinem Handy. So brüskiere er die Anwesenden durch Nicht-Beachtung. Lange vereinbarte Termine sage er kurzfristig ab. Dieses Verhalten demotiviere und schaffe Resignation.
Abberufung eines hartnäckigen Wehrführers
Denzer, der Feuerwehrmann mit Leib und Seele, resigniert nicht. Schließlich hat er die Aufgabe, für die Interessen seiner 750 Kollegen in den Löschbezirken einzutreten. Es kommt zu weiteren Spannungen. In der Stadtverwaltung beginnt man, Argumente gegen den Wehrführer zu sammeln. Am 1. Dezember brennt das Feuerwehrgerätehaus in Altenkessel. Die Freiwilligen rücken aus und löschen. Marc Denzer hält sich zu der Zeit in Zweibrücken auf, sein Meldeempfänger hat keinen Funkkontakt. Erst Stunden später erfährt er von dem Brand. Für den Dezernenten eine Gelegenheit wie geschaffen, den unliebsamen Wehrführer aus dem Weg zu räumen. Am 6. Dezember beruft ihn Oberbürgermeisterin Britz von seinem Amt ab. Dagegen klagt Denzer. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.
Fazit: Der Fall des Wehrführers Denzer ist eine Parallele zum Fall des Berufsfeuerwehrchefs Schun: Engagierte Führungspersönlichkeiten im hochsensiblen Bereich der Menschenrettung wollen Missstände beheben, Verbesserungen erreichen. Die Verwaltungsspitze ist offenbar dazu nicht in der Lage.
Das Engagement der Ehrenamtlichen ist ein hohes Gut unserer Gesellschaft. Der Staat hat gegenüber denen, die bei Bränden, Unwettern und Katastrophen einspringen, eine besondere Fürsorgepflicht. Die Verwaltungsspitze ist dabei, in diesem Punkt zu versagen.
Öffentlich äußert sich die politische Führung gerne in großen Worten. Britz spricht von der Würde der Städte, wenn es um ihre Milliarde Schulden geht. In der Stadt lässt sie eine Fair-Kampagne plakatieren. Sinngehalte, die auf den Umgang mit Feuerwehrleuten zu übertragen wären. Und Schindel, der sich als Dezernent gerne verdrückt, verbringt viel Zeit mit seiner internationalen Best-Ager-Model-Karriere. Dort präsentiert er Fair Wear. Feuerwehr ist da ganz weit weg.
Quellen:
Gesetz über den Brandschutz, die Technische Hilfe und den Katastrophenschutz im Saarland (SBKG)
Brandschutzbedarfs- und Entwicklungsplan der Landeshauptstadt Saarbrücken
Stellungnahme zum Bedarfsplan durch den Wehrführer vom 19.2.2018
Innerstädtischer Schriftverkehr
Vertrauliche Gespräche mit Feuerwehrangehörigen
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