Um den Brandschutz in der Landeshauptstadt sicherer zu machen, muss Feuerwehrchef Josef Schun mit dem Schlendrian aufräumen und trägen Feuerwehrleuten Beine machen. Als Teile der Belegschaft meutern und sich der SPD-durchsetzte Personalrat renitent stellt, kommt OB Britz in die Bredouille. Sie will die Angelegenheit rechtzeitig vor der OB-Wahl beenden. Es kommt zum Kesseltreiben gegen Schun. Saarlandinside-Serie über die Skandale bei der Feuerwehr Saarbrücken. Teil 1
Schun wird 2012 Chef der 205 Mann/Frau starken Berufsfeuerwehr. Er übernimmt einen Betrieb, in dem der Schlendrian herrscht. Er findet Mängel bei Betriebsabläufen, Technik, Ausrüstung und vor allem eine schwache Motivation der Belegschaft vor. Er strebt eine bessere Leistung bei der Brandbekämpfung und im Rettungsdienst an. Schließlich geht es im Ernstfall um Leben oder Tod. Er muss also an die Defizite und Mängel ran. Er beginnt im Kleinen: Die Feuerwehrleute mussten veraltete Schutzkleidung tragen, die Stadt sparte. Schun hat erst mal feuerfeste Kleidung und Brandschutzhauben nach dem neusten technischen Stand angeschafft.
Insider berichten von gravierenden Mängeln
Schun hatte mit einer Reihe von Missständen zu kämpfen, berichten ehemalige Feuerwehrmitarbeiter. Gegenüber Saarlandinside packen sie aus. Lange Zeit, sagen sie, fehlten überhaupt die Grundlagen und Standards für eine leistungsfähige Wehr. So auch die Grundlage einer leistungsstarken Truppe, der Bedarfs- und Entwicklungsplan. Schun machte sich an die Arbeit. Er ermittelte besondere Gefährdungspotenziale für die 170 Quadratkilometer große Landeshauptstadt und machte Aussagen zur technischen Ausstattung, Personalstärke, Organisation und Einsatzplänen. Er legt 2017 den ersten Plan für Saarbrücken vor. Mit brisanten Schlussfolgerungen: Die Wehr sei personell unterbesetzt, technisch und organisatorisch nicht uptodate. Ob Sicherheitsdezernent Harald Schindel Konsequenzen gezogen hat, teilt die Stadtverwaltung nicht mit.
Träge Feuerwehrleute und fehlendes Training
Hochschulstudie zur Fitness der Saarbrücker Wehr
Eine Studie zur „Gesundheitsförderung bei der Berufsfeuerwehr“ kommt zu miserablen Ergebnissen.
● 71 % der Feuerwehrleute sind übergewichtig oder adipös.
● Beim sportmotorischen Test, Rumpfbeugen, Fahrradergometrie, Liegestützen, etc. zeigen 20 bis 40 % der Feuerwehrleute eine schlechte oder sehr schlechte körperliche Leistungsfähigkeit.
● 46 % weisen drei oder mehr kardiale Risikofaktoren auf.
● Im drastischen Gegensatz zu den erhobenen Werten steht die Selbsteinschätzung. 50 % hielten sich selbst für fit bis sehr fit.
Die Studie hat der Saarbrücker Sportwissenschaftler Prof. Georg Wydra mit 120 Probanden bei der Berufsfeuerwehr Saarbrücken durchgeführt. Sie erregte in der Fachpresse bundesweit Aufsehen.
Eine Sportlehrerin ausgeschwitzt
Um den übergewichtigen Feuerwehrleuten den Hüftspeck abzutrainieren, bekam Schun eine Sportlehrerin zur Verfügung gestellt. Die Feuerwehrleute fühlten sich offenbar zu hart rangenommen. Statt im Sport zu schwitzen, schwitzten die Brandbekämpfer die Lehrerin aus. Anfang 2017 gab die Frau entnervt auf.
Behäbigkeit und lange Ausrückzeiten
Wenn Körper und Geist träge werden, dann hapert es auch dort, wo es um jede Sekunde geht, bei der Ausrückzeit. Diese liegt nach Recherchen von Saarlandinside beispielsweise für Rettungsfahrzeuge in Hessen bei 1 Minute, der bundesweite Durchschnitt liegt bei 1: 30. In Saarbrücken ist die Vorgabe großzügiger: Erst nach 2 Minuten müssen die Fahrzeuge aus der Wache raus sein.
Statistik: Feuerwehr zu langsam
Saarlandinside liegen Auswertungen des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Saar aus 2016 vor. Darin ist dokumentiert, dass selbst der 2-Minuten-Wert an der Mehrzahl der Diensttage überschritten wird. Ein Rettungstrupp erreichte die Vorgabe nur in knapp 20 % der Einsätze. Damit hatte die Saarbrücker Berufsfeuerwehr die schlechtesten Werte landesweit. Der Personalratsvorsitzende Bernd Schumann zeigte sich in einem Brandbrief vom März 2016 an die Mitarbeiter empört. Nicht etwa über die miserablen Werte und mangelhafte Leistung. Schumann behauptete allen Ernstes, die Ausrückstatistik sei eine unzulässige Mitarbeiter-Kontrolle. Die Datenerfassung mache den Mitarbeitern Stress.
Umweg beim Alarm, um Kollegenschlaf nicht zu stören
Auch die Ruhe hat in der Feuerwache Vorrang vor schnellem Ausrücken. Wenn die Mannschaft im Alarmfall losspurtet, muss sie zuerst die Sicherheitsabdeckung über dem Stangenloch aufklappen, um möglichst schnell zu ihrem Fahrzeug zu gelangen. Das war einigen Schlafbedürftigen zu laut. Sie setzten durch, dass ihre Kollegen beim Alarm den längeren Weg über die Treppe laufen müssen.
Umständlicher Drehleitereinsatz
Auch beim Einsatz am Brandherd muss es bequem zugehen. Der Korb der Drehleiter liegt auf dem Dach des Führerhauses auf. Bundesweiter Standard: Während die Stützen ausgefahren werden, steigt die Besatzung über eine kleine Treppe hinterm Führerhaus in den Korb, damit die Drehleiter möglichst schnell hochgefahren werden kann. Nicht so in Saarbrücken: Dort wird die Leiter zuerst um 180 Grad gedreht, nach hinten abgestellt, damit die Brandbekämpfer ebenerdig und bequem in den Korb einsteigen können; erst dann wird die Leiter ausgefahren. Nicht nur bei Großbränden wie im Dezember 2017 in der Saaruferstraße ein unhaltbarer Komfort.
Beim Schichtwechsel Rettungsalarm verpasst
Neuralgischer Punkt im Feuerwehrbetrieb ist der Schichtwechsel morgens um 7 Uhr. Saarlandinside liegen interne Schreiben über weiteren Müßiggang vor. Da ist es vorkommen, dass die Wehr vor 7 Uhr alarmiert wurde und, statt sofort auszurücken, sich erst einmal auf die Suche nach der Ablösung gemacht hat. Der Vorfall sorgte bei der saarländischen Rettungsleitstelle für Entsetzen. Üblich auch der „fliegende Schichtwechsel“. Einige Feuerwehrleute räumen ihre Schutzausrüstung schon eine Viertel Stunde vor Dienstschluss aus den Fahrzeugen; die Ablösung kommt aber erst eine halbe Stunde später.
„Nester der Gemütlichkeit“
Alle diese Mängel haben über die Jahre die Wehrkraft schleichend zersetzt, ziehen die Saarlandinside-Informanten Bilanz. Unglaublich: Manche Feuerwehrleute haben es quasi als sozialen Besitzstand betrachtet, dass sie in ihrem Schlaf nicht gestört werden, sie früher Schicht machen und später kommen, langsamer in den Einsatz gehen, sich nicht gefallen lassen müssen, dass Daten über Ausrückzeiten erhoben werden. Schun hat diese „Nester der Gemütlichkeit“, so die Insider, ausheben wollen, für einen leistungsfähigeren Brandschutz und die Sicherheit der Saarbrücker Bürger.
Fazit: Schuns Erfolg war nicht gewollt. Ein übergriffiger Personalrat wirft im Schulterschluss mit Oberbürgermeisterin Britz, Bürgermeister Latz, Dezernent Schindel dem Feuerwehrchef Schun Knüppel zwischen die Beine, bis heute. Gegen Mitarbeiter, den Personalrat, die politische Führung und Stadtratsmachenschaften anzukommen, ist in diesem Milieu der pastösen Parteiensolidarität und des gegenseitigen Nutzens aussichtslos. Die bedrängte Oberbürgermeisterin Charlotte Britz sieht den ausgewiesenen Fachmann und Diplomingenieur Schun als Störer ihres Images. Das ist schlecht für die OB-Wahl am 26. Mai, bei der Britz um ihre Mehrheit zittert. Es drängt sich der Verdacht auf, dass sie ihn deshalb per Gericht öffentlich totstellen will. Schun gibt gegenüber Saarlandinside keine Stellungnahme ab, da ihm die Landeshauptstadt aus beamtenrechtlichen Gründen eine öffentliche Äußerung verboten habe, so seine Anwältin Kristina Knauber.
Lesen Sie in Teil 2: Warum die Drehleiter beim tödlichen Brand in der Saaruferstraße versagt.
QUELLEN:
GEORG WYDRA, HEIKE WINCHENBACH UND MARKUS SCHWARZ: Zu den Möglichkeiten und Grenzen der Gesundheitsförderung bei der Berufsfeuerwehr; Saarbrücken 2008
ZWECKVERBAND FÜR RETTUNGSDIENST UND FEUERWEHRALARMIERUNG SAAR: Erfassung der Ausrückzeiten 2016
PERSONALRAT DER STADT SAARBRÜCKEN: Personalrat aktuell, Sonderausgabe, März 2016
LANDTAG DES SAARLANDES: Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen, Protokoll zur Sitzung vom 14.12.2017
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