Medien machen Meinung. Medien machen Politiker. Medien manipulieren. Über die Strategien und Tricks der beiden Saar-Medien am Beispiel des Auf- und Abstiegs der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer übersteht ungeschoren Skandale und Misserfolge während ihrer saarländischen Amtszeiten als viermalige Ministerin und Ministerpräsidentin. Dank Public Relations und dauerhaftem Schönschreiben durch die saarländische Presse, die faktisch nur aus den Monopolisten Saarländischer Rundfunk (SR) und Saarbrücker Zeitung (SZ) besteht.
Deren Geleitschutz für die in Verstrickungen geratene Politikerin ist vielfältig. Die „Einheitspresse“ stellt unverhohlen journalistische Wahlkampfhilfe zur Verfügung. Sie bringt Kramp-Karrenbauer durch vier lange Untersuchungsausschüsse; so häufig ist noch kein Minister in die parlamentarischen Ermittlungen geraten. Objektive journalistische Berichterstattung: Fehlanzeige. In den Redaktionen herrscht lange Zeit vielmehr eine sonderbare AKK-Erregtheit. Eine journalistische Gesinnung, die mit selektierten Informationen und emotionalen Bildern für Kramp-Karrenbauer Power macht. Bis sich die Fakten biegen.
Mit Bildern beschönigen und manipulieren
Bilder wirken nachgewiesenermaßen am stärksten auf Leser und Zuschauer. Bilder wecken Emotionen und Wünsche. Bilder bleiben in Erinnerung, während Texte oft nicht einmal zu Ende gelesen werden. Bilder werden als glaubwürdig empfunden, weil sie die Realität abzubilden scheinen. Bilder beeinflussen unsere Einstellung, können manipulieren. Deshalb nutzen Werbung und Medien diese Wirkung strategisch, um ihre Botschaften zu verstärken. Wie das geht, haben SZ und SR jahrelang exerziert. In entscheidenden Momenten haben sie Kramp-Karrenbauer mit Hilfe emotionalisierender Bilder, selektierter Informationen und passgenauer Storys massiv unterstützt. Die folgenden Beispiele geben deutliche Hinweise auf die Denk- und Schreibmuster in einigen Redaktionsstuben.
Die Botschaft der Saarbrücker Zeitung an die Leser: Lasst euch nicht von SPD-Star Martin Schulz verrückt machen. Hier geht’s ums AKK-Land. Darauf ein dreimal Hoch! Der Hintergrund: Die SPD ist Anfang 2017 bundesweit auf dem Vormarsch. Die Umfragen sind für Kramp-Karrenbauer besorgniserregend.
Nur eine Ankündigung: Aus der Landeskasse gibt es ab 2020 für jedes Kind 2.000 Euro. Nach der Wahl im März 2017 verschwindet der Knüller im Papierkorb. Weder SZ noch SR sind der Wahlkampf-Finte hinterher gegangen, was eigentlich zum Journalisten-Handwerk gehört. (Bild: Screenshot Saarbrücker Zeitung)
„Ein Herrscher soll alles daransetzen, den Anschein einer gerechten Regierung zu wahren, so kann er ohne Skrupel seine Ziele verfolgen, empfahl schon Machiavelli den Regierenden im 16. Jahrhundert.
Stimmung mit selektierten Informationen
Es ist Landtagswahlkampf 2017. Kramp-Karrenbauer wird als „Retterin“ der Saarland-Finanzen gefeiert: Sie habe in harten Verhandlungen „zusätzliche 500 Millionen Euro“ Bundeshilfe ab 2020 für das Saarland herausgeholt. Der SR schwelgt in Lobeshymnen über das Füllhorn, das sich dank AKK über das Land ergießen wird. In ihrer Euphorie versteigt sich die SZ zur Frage: Wohin mit den zusätzlichen Millionen? Als ob es überhaupt etwas zu verteilen gäbe. Die Saar-Medien verschweigen dabei völlig, dass, was damals allen Beteiligten klar ist, das Haushaltsdefizit Jahr um Jahr sogar noch steigen wird.
- 260 Millionen Euro Konsolidierungshilfe des Bundes fallen pro Jahr weg
- 250 Millionen Euro gehen für das Stopfen der Schuldenbremse drauf
- 80 Millionen Euro werden für die Schuldentilgung benötigt
- 50 Millionen Euro mehr verschwinden in kommenden Gehaltserhöhungen und Aussetzen des Stellenabbaus (300 Stellen)
Kurze Zeit später kommen neue Lasten hinzu:
- 50 Millionen Euro verschlingen die Schuldzinsen der Kommunen im Saarland-Pakt
- 80 Millionen Euro fehlen bereits durch neue Steuermindereinnahmen
Das ist vor der Corona-Krise. Die 500 Millionen Euro Bundesmittel sind lediglich ein Wahlkampf-„Aufputschmittel“ für die Öffentlichkeit. Die Rettung der Saar-Finanzen – so dauerhaft wie die Schlagzeilen darüber.
SZ-Statement im Bild: Es war doch nur ein Toilettenwitz der Fastnachtsgeschichte über das dritte Geschlecht auf dem Narrengericht in Stockach. Eine weitere Fehleinschätzung.
AKK-Wahl: SZ und SR mogeln 20 Prozent hinzu
Die Wahl Kramp-Karrenbauers zur CDU-Generalsekretärin im Februar 2018: „AKK kriegt 98,87 Prozent. Ein Rekord“, jubelt die Saarbrücker Zeitung. Der SR steht nicht zurück: „Von den rund 1.000 Delegierten in Berlin haben für Annegret Kramp-Karrenbauer knapp 98,87 Prozent als neue Generalsekretärin gestimmt.“ Soll sagen: „AKK – die Hundertprozentfrau aus dem Saarland.“ Ist sie aber nicht. Tatsächlich stimmen nur 785 von 1000 Delegierten für AKK, also nur 78,5 Prozent. Laut CDU-Geschäftsordnung fallen Stimmenthaltungen unter den Tisch. Für die Öffentlichkeit entscheidend ist jedoch die tatsächliche Zustimmung. So kann in der allgemeinen Kramp-Karrenbauer-Euphorie der seriöse Umgang mit Fakten schon mal nachrangig werden.
Die Botschaft: Merkel ist schwach, Kramp-Karrenbauer ist gerade dabei, sie platt zu machen. Mit der Realität hat dies überhaupt nichts zu tun. Der Leitartikel der Saarbrücker Zeitung damals:
„Die Neue ist de facto schon Kanzlerin, die eigentliche Machthaberin wickelt nur noch ab.“
AKK und die Dolchstoß-Legende
Als der AKK-Stern am Berliner Himmel immer mehr an Leuchtkraft verliert, bastelt die SZ schon an einer Hinterhältigkeits-Legende: „Jetzt werden bei der Saarländerin die Fehler gesucht, und natürlich hat auch sie welche gemacht. Aber die sind vergleichsweise unbedeutend. AKK wurde in Wahrheit von ihren innerparteilichen Gegnern systematisch sturmreif geschossen. Und von Merkel diesem Feuer zu lange ausgesetzt.“ (SZ vom 10.2.20) Faktenbiegerei.
Die Saarland-Blase in den Tagesthemen
Und als AKK den CDU-Vorsitz aufgrund ihres Versagens aufgeben will, macht die gerade zur SR-Chefredakteurin bestellte Armgard Müller-Adams in den Tagesthemen den Kotau: „Ihre jetzige Aufgabe, auf die sie sich jetzt besonnen hat, ist anspruchsvoller und wichtiger als ihre Bewerbung um die Kanzlerinnenschaft.… Sie stellt ihren persönlichen Machtanspruch zurück. Aus Gewissenhaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Also echte Führungsqualitäten.“ Ein Statement aus der saarländischen Filterblase . Politisches Versagen wird journalistisch zur Tugend gequirlt. Selbst der CDU-Sprecher hätte sich nicht zu einer solchen Faktenbiegerei verstiegen.
Hofberichterstattung für die Landesregierung geht weiter
Auch die Regierung Hans steht in der AKK-Tradition der systematischen Medien-Unterstützung. Jüngstes Beispiel ist der Skandal um den mutmaßlichen Kindesmissbrauch an der Uniklinik Homburg (UKS) seit 2012. Es geht um die Frage, ob die Landesregierung schon seit 2014 über die Missbrauchsfälle informiert gewesen ist und nicht erst seit Ostern 2019, wie sie behauptet. Zwei Zeugen stellen letzte Woche im Landtag glaubwürdig dar, dass Sozialstaatssekretär Stephan Kolling bereits 2014 den Missbrauchsverdacht kannte. Die Linke fordert seinen Rücktritt. Die Saarbrücker Zeitung holt in zwei sechsspaltigen Artikeln den angeschlagenen Kolling aus der Schusslinie: Kolling als Opfer! Flagge zeigt diesmal der SR. Der stellt in Bericht und Kommentar die Fakten vollständig und unverfälscht dar.
Wenige Lichtblicke der Pressefreiheit
Zur Klarstellung: Eine Reihe von Journalisten im Saarland werden durchaus als relativ unabhängige und seriöse Berichterstatter und Kommentatoren geschätzt. Einige SZ-Redakteure, SR-Wirtschaftsredakteure und das Kulturradio SR2 sind die Lichtblicke der Pressefreiheit im kleinsten Bundesland. Im Allgemeinen sieht das journalistische Setting darum so aus: Fakten „designen“, den Politikern ungestraft Tricks und Täuschung durchgehen lassen. Dabei spielen große gegenseitige finanzielle Abhängigkeiten zwischen Politik und der „Vierten Gewalt“ eine große Rolle.
Fazit: SR und SZ haben das Medien-Monopol. In der Tendenz berichten sie regierungshörig. Kritische Positionen kommen kaum zu Wort. Unabhängige Meinungsbildung und Meinungsvielfalt werden so verhindert. Daran nimmt die Demokratie im Saarland Schaden.
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