Staatsanwalt bei der Saarbahn: Aufträge „unter der Hand“ an private Busbetriebe?

Jahrelang sollen Saarbahn-Verantwortliche Aufträge ohne Ausschreibung an sieben private Busbetriebe im Raum Saarbrücken vergeben haben. Saarlandinside liegt dazu eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken gegen den ehemaligen Geschäftsführer Peter Edlinger vor.

Die Anzeige ist bereits vor drei Jahren bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken eingegangen und hatte offenbar umfangreiche Ermittlungen ausgelöst.

Bei der Anzeige geht es um den Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder, Absprachen zur Beschränkung des Wettbewerbs bei Ausschreibungen im Gesamtwert von 200 Millionen Euro und weitere Rechtsverstöße nach dem Wettbewerbsrecht. Der finanzielle Schaden für Saarbrücken könnte in die Millionen gehen. Die angezeigten Sachverhalte datieren allesamt aus der Amtszeit von Charlotte Britz (SPD) als Oberbürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende der Saarbahn.  

Jahr für Jahr 10 Millionen Euro freihändig vergeben

Zur Anzeige: Edlinger habe als kaufmännischer Geschäftsführer der Saarbahn Subunternehmer-Leistungen im Busbetrieb mit jährlich 10 Millionen Euro vergeben, „ohne Ausschreibung“ und „an eine feststehende Gruppe von sieben saarländischen Busunternehmen in Saarbrücken und im Regionalverband“. Die Vergabe soll „über einen festen Schlüssel“ erfolgt sein. Die namentlich genannten Busunternehmen hätten die Aufträge „quasi wie Claims“ betrachtet. Externe Konkurrenten seien so ausgeschaltet gewesen. Zu Spitzenzeiten hatte die Saarbahn mehr als die Hälfte ihrer Fahrleistung von jährlich 7 Millionen Bus-Kilometern von privaten Bus-Betrieben durchführen lassen. In Spitzenzeiten hätten davon die Privaten 4 Millionen Bus-Kilometer bedient, knapp 60 Prozent des gesamten Busangebots der Saarbahn.

Vorwurf: Insgesamt Aufträge für 200 Millionen Euro zugeschanzt

Seit 1999 habe es keine Ausschreibung dafür gegeben, berichten die Saarbahn-Insider. Das Auftragsvolumen über die gesamte Laufzeit bis 2018 liege bei rund 200 Millionen Euro. Erst ab 2019 seien die Subunternehmer-Fahrleistungen wieder ausgeschrieben worden. Die Vergabeordnung für kommunale Unternehmen sieht eine Ausschreibung ab einem Auftragswert von 200.000 Euro vor.

Schaden von „mindestens 10 Millionen Euro“ befürchtet

Bei ordnungsgemäßer Ausschreibung wären die Angebote erfahrungsgemäß im Schnitt fünf Prozent billiger, konservativ gerechnet, sagen die Anzeigenerstatter. Durch die Unter-der-Hand-Vergabe von 200 Millionen Euro sei der Saarbahn und der Stadt Saarbrücken also ein Schaden von „mindestens 10 Millionen Euro“ entstanden, rechnen sie.

„Ein Anruf aus dem Verkehrsministerium…“

Das Zuteilungssystem an die Subunternehmer soll vor Jahren Saarbahn-intern bemängelt worden sein. Geschäftsführer Edlinger soll seinen Mitarbeitern damals gesagt haben, er habe schon mal über eine Ausschreibung nachgedacht, ihn habe aber ein Anrufer aus dem Verkehrsministerium gebeten, dies zu unterlassen. So steht es in der Anzeige an die Staatsanwaltschaft.

Neue Busse für rund 1,7 Millionen Euro ohne Ausschreibung gekauft?

Offensichtliche gab es auch Tricksereien bei der Anschaffung von acht Linienbussen in 2019. Dies ist ebenfalls Gegenstand der Anzeige von 2020. Über diesen Teil-Aspekt haben SR und Saarbrücker Zeitung bereits berichtet. Auch der Bus-Kauf soll nach Aussage der Saarbahn-Insider ohne Ausschreibung erfolgt sein. Dieser Sachverhalt ist einfach nachzuvollziehen. Denn solche Leistungen müssen im Amtsblatt der EU öffentlich ausgeschrieben werden. Saarlandinside hat recherchiert und im EU-Amtsblatt keine entsprechende Ausschreibung gefunden.

Der Wert des Geschäfts rund 1,7 Millionen Euro. Die zuständige Fachabteilung soll die Geschäftsführung darauf hingewiesen haben, „dass eine öffentliche Ausschreibung zwingend erfolgen muss“. Geschäftsführer Edlinger habe sich darüber hinweggesetzt und MAN den Auftrag freihändig erteilt.

Edlingers Vertrag überraschenderweise nicht verlängert

Überraschenderweise ist Ende letzten Jahres der Vertrag mit dem damals 64jährigen Geschäftsführer Edlinger, Jahresgehalt ca. 300.000 Euro (so viel wie Bundeskanzler Scholz), nicht verlängert worden. Seine Bilanz war auch nicht so erfolgreich, wie er es in den Medien darstellen konnte. Unter seiner Geschäftsführung ist das Paradeprojekt des Saar-ÖPNV, der Bau der Saarbahn, 170 Millionen Euro teurer geworden als geplant. Ursprünglich sollten für 270 Millionen Euro zwei Linien gebaut werden. Realisiert wurde nur eine Linie und ihr Bau dauerte statt der geplanten 6 Jahre 25 Jahre. Nach der Nicht-Fortsetzung seines Vertrags Ende letzten Jahres ist Edlinger heute ehrenamtlicher Aufsichtsratsvorsitzender der Caritas-Trägergesellschaft CTT, zuvor war er dort lange Jahre stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender.

Fazit: Haben die Kommunalpolitiker im Aufsichtsrat versagt?

Freihändige Auftragsvergaben durch Unternehmen der öffentlichen Hand sind bis auf wenige Ausnahmen (z.B. in einem Notfall) rechtswidrig, denn ohne Wettbewerb entstehen hohe Mehrkosten. Wenn es dabei über Jahre hinweg um ein Volumen von 200 Millionen Euro und einen geschätzten Schaden von zehn Millionen Euro für die Landeshauptstadt geht, dann wäre dies ein Skandal, der Konsequenzen haben muss. 

Kommunale Nahverkehrs-Unternehmen wie die Saarbahn sind Zuschussbetriebe. Am Jahresende halten die Verantwortlichen gerne die Hand auf, die Saarbahn im letzten Jahr für knapp 10 Millionen Euro Defizit. Dafür muss der Steuerzahler herhalten. Es stellen sich folgende Fragen:

  1. Was wussten die Aufsichtsräte?

Spätestens seit August 2020 hatten die Aufsichtsräte Kenntnis von den massiven Vorwürfen in der Anzeige an die Staatsanwaltschaft. Die Stadtwerke besitzen gemeinsam mit der Stadtwerke Holding die Saarbahn Netz, der wiederum die Saarbahn GmbH gehört. Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke ist Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU). Bürgermeisterin Barbara Meyer (Grüne) ist Aufsichtsratsvorsitzende der Saarbahn. Von ihnen wollte Saarlandinside wissen, wie sie ihre Aufsichtspflicht wahrgenommen und mit welchen Konsequenzen sie die Vorwürfe gegen Edlinger behandelt haben. Wurde Edlinger mit den Sachverhalten konfrontiert? Saarlandinside hat bei OB Conradt und Bürgermeisterin Meyer angefragt. Die Angefragten haben nicht geantwortet.

2. Sind weitere Saarbahn-Mitarbeiter involviert?

Falls die Vorwürfe gegen den Ex-Geschäftsführer zutreffen, ist es höchst fraglich, dass er die Millionengeschäfte alleine und ohne Einbeziehung anderer Saarbahn-Mitarbeiter abgewickelt hat. Intern ist offenbar über die Rechtsverstöße gesprochen worden, wie aus der Anzeige hervorgeht. Es stellt sich auch die Frage, ob Edlinger bei den vorgeworfenen Aktionen Deckung von oben hatte. Edlinger soll auch auf eine Beteiligung des Verkehrsministeriums hingewiesen haben.

Stadtsprecher Thomas Blug betonte auf Saarlandinside-Anfrage, es handele sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen eine Privatperson, nicht gegen Verantwortliche der Saarbahn-Gesellschaft. Das kommunale Unternehmen soll also aus der Schusslinie genommen werden. Dies würde auch das überraschende Ende Edlingers als Geschäftsführer erklären.

Die Mitglieder des Aufsichtsrats der Saarbahn GmbH im Jahr 2021, die die Geschäftsführung beaufsichtigen. Quelle: Bundesanzeiger

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