Postenschieber Teil 6: Die Anforderungen an die Vorbildhaftigkeit der Politiker sind im Saarland stark gesunken. Symptomatisch hierfür 18 Jahre Personalpolitik in der Staatskanzlei. Etwa 80 Prozent der Stellen dort haben CDU-Getreue inne.
Staatskanzlei: Schwarze Übermacht bis auf Sachbearbeiterebene
Die Staatskanzlei ist laut Verfassung die koordinierende Stelle der Landespolitik. Koordiniert werden vor allem die Parteibuchwirtschaft und Selbstbedienung der politischen Klasse. Diese führen, erst recht, wenn eine Partei über mehrere Legislaturperioden die Staatskanzlei (oder ein Ministerium) besetzt, zu einer parteipolitischen Aneignung des Stellenplans bis auf die Sachbearbeiterebene.
Die Staatskanzlei ist seit 1999 in CDU-Hand: Von den 21 klassischen Staatskanzlei-Referatsleitungen in drei Abteilungen sind zurzeit 18 „schwarz“ besetzt, 80 Prozent. Die direkte politische Arbeitsumgebung von Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und Staatssekretär Jürgen Lennartz mit ca. 30 Planstellen der Büroleiter, der Mitarbeiterstäbe von Pressesprecher, Social Media und Protokoll nicht einmal mitgerechnet. Auf Sachbearbeiterebene in den Abteilungen ist die schwarze Übermacht ähnlich ausgeprägt.
Die vier Abteilungsleiter-Positionen
- Dr. Ulli Meyer leitet mit Stefan Toscani als dessen Stellvertreter den CDU-Kreisverband Saarpfalz und die Abteilung „Organisation, Haushalt und Personal“ in der Staatskanzlei, eine zentrale Schaltstelle der CDU-Macht. Meyer kam nach dem Jura-Studium mit der Besoldungsstufe A 13 direkt zu Peter Müller als dessen Büroleiter, avancierte innerhalb weniger Jahre vom Regierungsrat über sieben Besoldungsstufen zum Ministerialdirigenten, in die höchste Besoldungsstufe (B5 = 8.200 Euro Grundgehalt), die nur 13 auserwählte der z.Zt. 37 Abteilungsleiter in der Landesregierung erreichen.
- Stefan Rabel ist Vorsitzender der CDU-Stadtratsfraktion in Völklingen, kommunalpolitischer Akteur im Millionen-Skandal um die Fischzuchtanlage und Abteilungsleiter „Koordination und Medien“.
- Dr. Annette Groh von der CDU Mandelbachtal ist Leiterin der Abteilung „Wissenschaft, Hochschulen, Technologie“ und Leitende Ministerialrätin. Gestartet war sie in der Staatskanzlei als Personalreferentin.
- Dank für besonderes Partei-Engagement brachte Dr. Jochen Wagner den Abteilungsleitertitel „Grundsatzfragen und Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung“ und ein sicheres Spitzengehalt auf Lebenszeit. Wagner, vormals mit einem kleinen Berliner Büro im unsicheren Werbegeschäft aktiv, hatte sich bei der Landtagswahl 2012 im CDU-Wahlkampf-Team für Kramp-Karrenbauer ins Zeug gelegt.
- Wagners Vorgänger Dr. Ludwin Vogel, als Journalist einstmals von Karl Rauber aus St. Wendel geholt, wurde auf die Pay-roll der landeseigenen Strukturholding Saar abgeschoben.
Karrieren von der Partei strategisch vorbereitet
Auch auf den Ebenen der Referatsleiter und Referenten kommen bei Neubesetzungen Parteifreunde zum Zuge. Ihre Karrieren sind teilweise seit Jahren strategisch vorbereitet. Als im letzten Jahr in der Staatskanzlei-Zentralabteilung „Organisation, Personal, Haushalt“ der Posten des Haushaltchefs zu besetzen war, bekam Simone Herrmann, Frau des CDU-Hoffnungsträgers, Generalsekretärs und parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Landtagsfraktion, Roland Theis, die Schlüsselposition. Frau Herrmann war 2013 als einfache Referentin für „Parlamentarische Anfragen, Inneres und Sport“ per Ausschreibung eingestellt worden. Sie bekam schnell mehr Verantwortung. Ein Jahr später übernahm sie vorübergehend die Referatsleitung „Landtag, Bundesrat, Bundesangelegenheiten“ und zum 1. Juni 2016 dann die Haushaltreferats-Leitung bei Kramp-Karrenbauer.
Einstiege meist unspektakulär
Frau Herrmanns Werdegang ist beispielhaft. Eingeschleust werden Parteifreunde häufig lange vor sensiblen Wahlkampfzeiten auf weniger bedeutende Funktionen (oder auch als Referenten des Ministers, siehe Artikel „Im Schleusersystem auf einen Job im Ministerium“). Einmal im Staatsdienst platziert steigen sie ohne großes Aufsehen „wegen hervorragender Leistung“ konkurrenzlos auf.
Eine höhere Besoldung oder höhere Beförderungsperspektiven seien mit dem Wechsel von Frau Herrmann von der Referatsleitung „Landtag“ zu „Finanzen“ nicht verbunden, versichert Regierungssprecher Thorsten Klein. Simone Herrmann ist Regierungsrätin. In der Landesverwaltung liegen die Posten der Haushalt-Chefs üblicherweise in der exklusiveren B-Besoldungsgruppe, vier Stufen höher. Übrigens: Herrmann engagiert sich als Pressesprecherin in der Frauenunion Saar, die jahrelang von der Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer geleitet wurde.
Kramp-Karrenbauer im Vorsitz der Frauenunion beerbt hatte Anja Wagner-Scheid. Vormals Referatsleiterin „Ehrenamt und Bürgerportal“ in der Staatskanzlei ist zur Direktorin des Landesversorgungsamtes avanciert. Sie war 2007 knapp unterlegene CDU-Kandidatin bei der Bürgermeisterwahl in Friedrichstal. Wahlniederlagen gelten parteiintern als „Opfergang“, den Parteien üblicherweise reichlich belohnen (Siehe Artikel „Die große Koalition der Postenschieber“).
Gemeinsam im Ortsverein – gemeinsam in der Staatskanzlei
Die Verbindung von eigentlich ehrenamtlicher Parteiarbeit mit gut bezahlten Landesjobs wird augenfällig, wenn man einen beliebigen Ortsverein unter die Lupe nimmt und überprüft, welche kommunalpolitischen Parteiakteure wo ihr Gehalt beziehen. Die Probe am Beispiel des CDU-Ortsvereins Am Homburg in Saarbrücken: Vom dortigen Vorstand sind vier Akteure im Landesdienst, drei in Leitungsfunktionen. Besonders dreist die Postenschieberei in der Staatskanzlei: Referatsleiter Dr. Michael Jung, auch im CDU-Vorstand Am Homburg in Saarbrücken, hat seinen Ortsvereins-Vorsitzenden Hermann-Josef Anton direkt in sein Referat holen lassen. So können die beiden vom Homburg Partei-Angelegenheiten in der Arbeitspause diskret und direkt regeln.
Seiteneinsteiger mit hohen Bezügen
Was sagen die Gewerkschaften zur massiven Besitznahme des öffentlichen Dienstes, in dem normale Beamte laufbahnmäßig zwischen 10 und 20 Jahren auf eine Beförderungsstufe warten müssen? „Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Landesregierung im eigenen Kämmerlein ihre eigene Personalpolitik nach dem Parteienversorgungsstrickmuster macht.“ In schwierigen Zeiten, da die Politik von der Schuldenbremse bestimmt wird und bis 2020 etwa 2400 Stellen eingespart werden sollen, „ist es Landesbeschäftigten nicht mehr vermittelbar, dass Seiteneinsteiger mit hohen Bezügen eingestellt werden und nach fast zwei Jahren nochmals befördert werden“, sagte Beamtenbundchef Ewald Linn, als die Blitzkarriere von Christine Streichert-Clivot im Bildungsministerium ruchbar wurde (Siehe Bericht „Mit 32 Jahren Qualitätschefin über 9.500 Lehrer“). Linns Stellungnahme klingt eher nach Resignation statt nach scharfer Kritik.
Fazit: Der Parteienstaat ist die Klammer, die die politischen Parteien zusammenhält. Wer dem Netz der Macht und (auch parteiübergreifenden) Clans (Ich kenne doo eener…) angehört und wer sich dazu bekennt, darf sich sicher und gefördert fühlen.
Die Karrieren im öffentlichen Dienst werden so von langer Hand geplant. Parteigänger kommen häufig ohne Ausschreibung und Bewerbungsverfahren in den Landesdienst, schneller in lukrative Spitzenjobs und das schon in jungen Jahren. Sie werden erheblich schneller befördert. Sie beziehen nach ihrem Ausscheiden eine Pension, die sogar über dem Durchschnittsgehalt aller aktiven Beschäftigten liegt.
Die Parteien in der großen Koalition legen sich dabei nicht nur keine Steine in den Weg, sie kungeln die Jobs untereinander aus. Die Personalvertretungen – meist von Gewerkschaftsmitgliedern besetzt – sind beim Deal dabei. Geschacher und Geschiebe um Posten sollen unter der Decke bleiben.
Es ist nicht übertrieben, zu sagen: Im politischen Geschäft spielen Machtmissbrauch und Selbstbedienung eine immer größere Rolle. Die Politik ist dabei, sich damit zu entmoralisieren.