Die schwarze Kasse beim Landessportverband ist größer als bisher bekannt. Es geht um acht Millionen Euro. Bisher wurde nur eine Million zugegeben. Die Pfründe geht noch auf die Zeit Kramp-Karrenbauers als Sportministerin zurück.
Millionen Euro in die schwarze Kasse
Recherchen von Saarlandinside haben ergeben: Bis heute konnte ein überwiegend aus CDU-Funktionären bestehendes Netzwerk mehr als acht Millionen Euro von Saartoto organisieren. Zur freien Verfügung und ohne Kontrolle. Die Machenschaften begannen schon kurz nach Kramp-Karrenbauers Karriere-Start im Juni 2000. Die Sportministerin ließ den Saartoto-Aufsichtsrat beschließen, dass er künftig den Saarsport jährlich mit 500.000 DM zu fördern habe, zahlbar auf ein „Spezialkonto“ des Landessportverbands. Der Geldtransfer durfte nicht im LSVS-Haushalt auftauchen, vermutlich, weil ihn dort Wirtschaftsprüfer entdeckt hätten. Ein Jahr später wurde die Rate auf bis zu 750.000 Euro erhöht. Ab 2006, Sportministerin Kramp-Karrenbauer war gerade Chefin im Saartoto-Aufsichtsrat geworden, flossen 340.000 Euro, jedes Jahr. Bis heute insgesamt mehr als sieben Millionen Euro. Dies geht aus Unterlagen hervor, die Saarlandinside vorliegen.
Unersättlich nach Toto-Geld
Hinzu zurechnen ist noch eine Million Euro aus dem sogenannten „Verstärkungsfonds“, den Saarlandinside im Februar letzten Jahres aufgedeckt hat. Ausgedacht 2016 wiederum von Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer und dem damaligen Landtags- und LSVS-Präsidenten Klaus Meiser. Öffentlich verkauft wurde der Deal als Förderung des Olympiastützpunktes; aber dort kam kaum etwas an. Die bisherige 340.000 Euro -Jahresrate von Saartoto jedenfalls war immer schnell verbraucht, der Topf benötigte finanzielle „Verstärkung“. Und der Landtagswahlkampf Kramp-Karrenbauers stand bevor.
Kramp-Karrenbauer zentrale Figur
Kramp-Karrenbauer hat von Anfang an das System des Geldorganisierens und -verteilens auf einen kleinen Kreis Eingeweihter beschränkt: ihre langjährigen Parteigefährten Karl Rauber, Gerd Meyer, Klaus Meiser, Monika Bachmann, zuletzt Klaus Bouillon. Sie alle waren und sind noch auf den beherrschenden Positionen im Kramp-Karrenbauers Netzwerk Politik und Sport eingesetzt, als Sportminister, Geschäftsführer von Saartoto, Aufsichtsräte bei Saartoto und den dazugehörenden saarländischen Spielbanken, Präsidenten im Landessportverband, auch in der Rechtsaufsicht über das saarländische Glücksspiel- und Sportgeschäft, in der Sportstiftung, im Förderausschuss Spitzensport, im Landesausschuss Leistungssport, in der Sportplanungskommission. Teilweise schickten sie Vertraute in die Gremien.
Der Gelddrang der Politik- und Sportfunktionäre
Der Drang, über große Summen verfügen zu können, nach Gutdünken, ohne verbindliche Vorschriften und ohne lästige Kontrolle, beherrscht manchen Partei- und Sportfunktionär. Im Saarland sind die Glücksspiel-Millionen von Saartoto dafür die Hauptquelle. Sie fließen geräuschlos und vor der Öffentlichkeit versteckt, seit die Saarländer Lotto und Toto spielen. Zu einem erheblichen Teil werden damit Profi-Sportler an die Saar gelockt, mit Subventionen, die sie anderswo nicht bekommen. Ein Beispiel der FCS-Tischtennis-Star Patrick Franziska, der in den letzten Jahren 70 bis 100.000 Jahr pro Jahr bekommen hat. Aus öffentlichen Geldern.
Sportförderung – eine Bühne für Politiker
Forciert hat das System die Regierung Peter Müller gleich nach der Machtübernahme 1999. Bei Saartoto sprudelten die Glückspielerlöse. Müllers jung-ehrgeizige Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erkannte schnell das Potenzial einer Sportförderung. Ein finanziell dynamisierter Sport tue nicht nur dem Selbstwertgefühlt der Saarländer gut, die begünstigten Vereine und Verbände – so das Kalkül – könnten auch eine werbewirksame Bühne und Multiplikatoren für ihre CDU sein. Dies funktioniert seit 20 Jahren. Es dürfte den Aufstieg Kramp-Karrenbauers zum Teil erklären.
DAS SCHWARZE NETZ: Seit fast 20 Jahren liegt die Sportförderung fast ausschließlich in der Hand von CDU-Politikern. Foto: Unsplash
Sportgelder-Verteilung geheime Kommandosache
Wer aus diesem Geldvorrat in welcher Höhe und für welchen Zweck bedient wurde und wird, dies macht ein kleiner Kreis Eingeweihter unter sich aus, ein ominöser „Förderausschuss Spitzensport“; eine Bezeichnung, die integres Handeln und staatliche Ordnung signalisieren sollte. Die Mitglieder im Ausschuss bestimmte allein der Innenminister.
Bis heute unter der Decke gehalten
Die Beteiligten konnten das System bis heute unter der Decke halten. Im Sommer letzten Jahres, die Öffentlichkeit war empört über den „Verstärkungsfonds“ und die LSVS-Schecks im Wahlkampf, hatte Bouillon kalte Füße bekommen. Er legte den Vorsitz im Saartoto Aufsichtsrat nieder und seinen Förderausschuss Spitzensport still. Er reichte die Saartoto-Millionen an den Landesausschuss Leistungssport weiter. Aber auch dort hat das Sport-Politik-Netzwerk das Sagen.
„Alle haben Leichen im Keller“
Zurzeit sucht ein Wirtschaftsforensiker im Auftrag der Staatsanwaltschaft nach kriminellen Maschen im Netzwerk der Sportförderung. Sein Gutachten kostet 400.000 Euro. Ob er viel finden wird, ist ungewiss. „Die Beteiligten haben alle ihre Leichen im Keller. Da tut keiner dem anderen was“, resigniert ein Insider.
Fazit: Klar ist, ohne Spenden und Sponsoren kommt kein Leistungssport auf Tempo, Höhe, Weite. Aber Sportprofis ins Land zu holen, indem ihnen aus öffentlichen Mitteln Preisgelder und Gehälter gezahlt werden, die sie sonst wo nicht bekommen, ist nicht Aufgabe der Landespolitik. Die Praxis benachteiligt saarländische Talente aus dem Breitensport.
Das Spezialkonto beim LSVS erfüllt alle Kriterien einer schwarzen Kasse: Die gleichen Politiker bestellen bei Saartoto die Millionen, genehmigen sie im Aufsichtsrat, schaffen das Geld beiseite, geben es nach Belieben aus – auch bündelweise als Schecks im Wahlkampf – verhindern jedwede Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer, staatliche Instanzen oder Landtag und wissen zudem angeblich nicht, dass sie die Rechtsaufsicht über Saartoto und LSVS ausüben müssten. Dies ist im höchsten Maße ungerecht und demokratieschädlich.
Die CDU will die Millionen-Pfründe partout nicht aufgeben. Die SPD spielt mit; ihre Domäne ist die Kultur- und Umweltförderung, ebenfalls gespeist aus Toto-Mitteln. Es wird höchste Zeit, dass die benachteiligten Sportverbände und die großen Vereine des Breitensports gegen die Missstände mobil machen und Transparenz herstellen. Die Landesregierung muss offenlegen, welche Personen und Vereine in welcher Höhe und aus welchem Grund begünstigt wurden und welche nicht.