Bundestagsabgeordnete kassieren 51 Millionen Euro durch Nebeneinkünfte

Aufsichtsratsposten, Vorträge, Unternehmensbeteiligungen: Seit der letzten Wahl haben viele Bundestagsabgeordnete kräftig dazuverdient. Wer hat wie viel bekommen – und woher stammt das Geld? Die Saar-MdBs melden nur bescheidene bis gar keine Nebeneinkünfte.

Die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de hat gemeinsam mit dem SPIEGEL die Selbstauskünfte der Parlamentsmitglieder gegenüber dem Bundestag ausgewertet. Knapp die Hälfte – 337 von 733 Abgeordneten (46 Prozent) – haben Nebeneinkünfte gemeldet. Insgesamt machen sie in dieser Legislaturperiode 51 Millionen Euro „nebenher“, so die Rechercheure. Zusätzlich zu ihrer regulären Abgeordneten-Diät von 11.200 Euro im Monat.

Für die Legislaturperiode bekommen die 733 Abgeordneten insgesamt 33 Millionen Euro Aufwandsentschädigung. Knapp die Hälfte der Abgeordneten kassiert in derselben Zeit zusätzlich 51 Millionen Euro aus Nebenjobs. Foto: Deutscher Bundestag/Werner Schüring.

Die Recherchen zeigen, dass zahlreiche Abgeordnete
• neben ihrem Bundestagsmandat mehrere Geschäftsführungsposten ausüben,
• hohe Summen von Konzernen erhalten haben,
• hunderttausende Euro aus der Beteiligung an Unternehmen kassierten.

Bei den Saar-MdBs steht das Mandat im Mittelpunkt

Sarah Schönewolf von abgeordnetenwatch.de kritisiert: „Es ist fraglich, ob bei manchen Abgeordneten mit lukrativen Zweitjobs die Tätigkeit im Bundestag tatsächlich noch Priorität hat“. Dieser Frage müssen sich die sieben Bundestagsabgeordneten aus dem Saarland nicht stellen lassen. Bei ihnen kann man mit Fug und Recht sagen, dass ihr Mandat und nicht der Nebenjob im Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten stehen. Hier ihre Angaben über Nebeneinkünfte:

Christian Petry (SPD, Wahlkreis St. Wendel)       19.375 €
Markus Uhl (CDU/CSU, Homburg)                             12.835 €      
Esra Limbacher (SPD, Homburg)                                  12.110 €
Dr. Christian Wirth (AfD Homburg)                              4.972 €
Oliver Luksic (FDP, St. Wendel)                                       2.380 €      
Thomas Lutze und Josephine Ortleb (beide Wahlkreis SPD Saarbrücken), Nadine Schön (CDU/CSU St. Wendel) und Emily Vontz (SPD Saarlouis) haben keine Einkünfte aus Nebentätigkeiten angegeben.

Die Bundestagsabgeordneten aus dem Saarland: Josephine Ortleb (SPD), Esra Limbacher (SPD), Oliver Luksic (FDP), Emily Vontz (SPD), Christian Wirth (AfD), Christian Petry (SPD), Nadine Schön (CDU). Fotos: Deutscher Bundestag.

Die im Saarland lebende Sarah Wagenknecht (BSW) gibt Nebeneinkünfte in Höhe von knapp 850.000 Euro an. Den größten Teil erzielte sie mit ihrem Buch „Die Selbstgerechten“. Außerdem hielt die BSW-Vorsitzende Vorträge, für die sie teilweise mehr als 10.000 Euro Honorar erhielt. Wagenknecht zählt zu den Abgeordneten, die die meisten Sitzungen schwänzen, haben Spiegelonline und tagesschau.de im letzten Jahr aufgedeckt.

Die höchsten Summen meldeten folgende Abgeordnete:

• Albert Stegemann (CDU/CSU): 7,8 Mio. Euro aus seinem Landwirtschaftsbetrieb
• Sebastian Brehm (CDU/CSU): 7,1 Mio. Euro aus Tätigkeiten als Steuerberater
• Alexander Engelhardt (CDU/CSU): 3,5 Mio. Euro als Inhaber einer Biomühle
• Thomas Heilmann (CDU/CSU): 3.5 Mio. Euro aus der Beteiligung an Unternehmen
• Ophelia Nick (Grüne): 2,8 Millionen Euro, im Wesentlichen aus Gewinnbeteiligungen von Unternehmen

Die Zahlen sind jedoch nur bedingt vergleichbar. Bei den Beträgen kann es sich um Einkünfte, Gewinn vor Steuern, Gewinnbeteiligungen, Umsätze oder andere Angaben handeln. Vor allem bei freiberuflich und selbstständig tätigen Abgeordneten gehen neben der Umsatzsteuer meist noch Personal- und Sachkosten ab. Nichtsdestotrotz geben die “veröffentlichungspflichtigen Angaben” Aufschluss über geschäftliche Verbindungen der Abgeordneten sowie über mögliche Interessenkonflikte.

Mögliche Interessenkonflikte durch Nebenjobs

Letzteres ist zum Beispiel der Fall, wenn Abgeordnete einem Parlamentsausschuss angehören, in dem Anliegen ihrer Geldgeber behandelt werden. Oder Anliegen ihrer Unternehmen. Zum Beispiel bei Landwirt Stegemann, der im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sitzt.

Ein weiteres Beispiel ist die Tätigkeit der Abgeordneten Peter Ramsauer (CSU), Bernd Westphal (SPD) und Otto Fricke (FDP) als Mitglieder des „Expertenrats“ der Beratungsagentur Kekst-CNC. Die Agentur lobbyiert laut Lobbyregister für mehrere Unternehmen, vergangenes Jahr etwa für die Rohstoffkonzerne Thyssengas und Vitol. Die Abgeordneten erhalten teilweise Aufwandsentschädigungen in Höhe von neun- bis zehntausend Euro pro Jahr.

Unternehmen erkaufen sich über Posten gezielt Zugang zu politischen Entscheidungsträger, warnt Sarah Schönewolf von abgeordnetenwatch.de.

„Abgeordnete haben in Aufsichtsräten und Beiräten von Konzernen und Lobbyverbänden nichts zu suchen.“

abgeordnetenwatch.de fordert unabhängige Prüfinstanz

abgeordnetenwatch.de begrüßt, dass seit dieser Legislaturperiode strengere Transparenzregeln greifen (genaue Summen, auch Gewinne aus Unternehmensbeteiligungen). Sarah Schönewolf fordert aber weitere Maßnahmen. „Die Kontrolle der Nebeneinkünfte darf nicht bei der Bundestagspräsidentin liegen. Es ist absurd, dass Bärbel Bas ihre Nebeneinkünfte als Aufsichtsratsmitglied eines Stahlkonzerns selbst offenlegen und prüfen muss.“ Eine unabhängige Prüfinstanz sei dringend notwendig.

Hier der Link zu weiteren Informationen von abgewordnetenwatch.de, u.a. über Nebeneinkommen von Ministern und den Spitzen der Parteien und Fraktionen.

Hier der Link zur vollständigen Tabelle der Abgeordneten und ihrer Nebenverdienste.

Hinweis: Diesen Bericht hat abgeordnetenwatch.de heute zur Verfügung gestellt. Der Text steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.