Der SR müsse drei Millionen im Programm einsparen, weil die Einnahmen durch Rundfunkbeiträge falsch gerechnet wurden, sagt der Sender. Was er nicht sagt: Zwei Millionen braucht er allein für die Pensionskasse der Leitungsebene. Zudem: Üppige Gehälter und zu viel Personal lassen immer weniger finanziellen Spielraum für die Programmqualität.
Tannen-Friemel und Tannen-Schilling: zu viel Unterhaltung, zu wenig Information
Die Stimmung auf dem Halberg vor der nächsten Rundfunkratssitzung nächste Woche (19.Juni) dürfte gereizt sein. Ende 2016 verabschiedete der Rundfunkrat den Wirtschaftsplan für 2017 noch mit einem Überschuss von 0,7 Mio. Euro. „Das strukturelle Defizit des SR ist behoben,“ verkündete Intendant Thomas Kleist vor seinem Aufsichtsrat. Und jetzt, sechs Monate später, will er dem Gremium klarmachen, dass auf lange Sicht jährlich wieder drei Millionen Euro fehlen. Der SR bekomme weniger Rundfunkbeiträge als erwartet. Der Rundfunkbeitragsservice habe sich verrechnet: Viele saarländische Studenten wohnten noch bei ihren Eltern und zahlten deshalb keinen Rundfunkbeitrag.
Gewerkschaft Ver.di kontert: Sogar Mehreinnahmen!
Die Gewerkschaft Ver.di widerspricht und rechnet dem Intendanten in ihrem Tarif-Info 3/2017 vor, dass die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) die erwarteten Rundfunkbeiträge des SR bereits im letzten Jahr um zwei Millionen Euro nach unten korrigiert habe. Der SR habe wegen Mehreinnahmen im Finanzausgleich in diesem Jahr sogar „voraussichtlich 6 Millionen Euro mehr Einnahmen als 2016“, behauptet Ver.di. Geplänkel zu Beginn der nächsten Tarifrunde mit einer Gehaltsforderung von 5,5 Prozent.
SR-Faktencheck:
Kleist Ende 2016: kein strukturelles Defizit mehr
Kleist Anfang 2017: jährlich 3 Mio. Euro weniger Rundfunkbeiträge
Ver.di: Alle Mindereinnahmen bereits kompensiert
Kleist im Mai 2017: Zehn-Punkte-Sparprogramm
Wie dem auch sei, Kleist hat ein Sparprogramm vorgelegt, das den Etat des Senders jährlich um mindestens zwei Millionen entlasten soll. Neben strukturellen Maßnahmen wie Streichen im Orchester, Ausstieg aus Reisesendungen und mehr Effizienz im Nachrichtenbereich ist es vor allem das im Programmauftrag des Senders so leichtgewichtige Halberg-Open-Air zu den Sommerferien, das die Öffentlichkeit erregt und den Vorsitzenden des Rundfunkrats, Wolfgang Krause, entrüstet.
Sparprogramm für wenige SR-Pensionäre?
Der Zwang zum Sparen liegt woanders begründet: Die eingesparten zwei Millionen Euro aus der Kleist-Streichliste entsprechen so ziemlich genau dem Betrag, den Kleist für ehemalige und künftige Pensionäre der Geschäftsleitung 2015 zurückstellen musste. Die Pensionsrückstellungen werden jährlich fällig. Die Verträge mit vier noch aktiven Mitarbeitern der Geschäftsleitung, weiteren Mitarbeitern mit besonderen Aufgaben und SR-Pensionären erfordern dies, sagt der Sender. Auffällig ist, dass sich die Rückstellungen seit 2011, als Kleist im siebten Wahlgang Intendant wurde, fast versechsfacht haben, von 306.000 Euro auf mehr als 2 Millionen Euro in 2015. Ein Anzeichen dafür, dass in der Amtszeit Kleists die Geschäftsleitung deutlich mehr Gewicht auf die Altersversorgung der Geschäftsleitung legt. Die etwa hundert Kleinrenten mit weniger als 200 Euro für vor dem Jahr 1967 eingetretene Mitarbeiter fallen da kaum ins Gewicht. Und für das Gros der Mitarbeiter unterhalb der dritten Entscheidungsebene zahlt der SR ohnehin nur – wie im öffentlichen Dienst üblich – Beiträge in die Zusatzversorgungskasse des Saarlandes. Wofür der SR Lob von der KEF erntet. Die Pensionsproblematik betrifft also die Leitungsebene auf dem Halberg.
SR-Faktencheck:
Pensionsrückstellungen 2011: 0,3 Mio. Euro
Pensionsrückstellungen 2015: 2,0 Mio. Euro
Bestand Pensionsfond 2016: 18,0 Mio. Euro
Berechtigte Personen: 17
ARD: Öffentlich-rechtliche Rentneranstalt
Die ARD-Finanzexperten der KEF sehen die betriebliche Altersversorgung bei den ARD-Anstalten generell als wachsendes Problem. Sie halten es für „vertretbar und notwendig, den Zuwachs des Altersversorgungsaufwands … zu beschränken“. Die Pensionsregelungen bei ARD und ZDF seien eine „attraktive Versorgungslandschaft“, sagen die KEF-Gutachter. Im Klartext: ein Paradies für Pensionäre, bei dem die Intendanten und ihre Rundfunkräte die Pensionen miteinander aushandeln.
Weiterer Personalabbau beim SR notwendig
Zurück auf den Halberg. Unter Punkt 8 des Sparprogramms „Personalabbau“ wagt sich Kleist tatsächlich an ein gravierendes Strukturproblem des Senders heran, die hohen Personalkosten. Bei einer hohen Personalquote im Sender-Etat von fast 70 Prozent (Anteil der Personalausgaben, inklusive Ausgaben für „Freie Mitarbeiter“, an den Einnahmen aus Rundfunkbeitrag und Finanzausgleich) wird jede künftige Gehaltserhöhung bei stagnierenden Einnahmen den finanziellen Spielraum weiter einengen. Kleist will Hierarchien abbauen und Abteilungen zusammenlegen.
Das höchste Gehaltsniveau des öffentlichen Dienstes
Dabei ist das Gehaltsniveau auf dem Halberg das üppigste, was der öffentliche Dienst zu bieten hat. Ein Tarifvergleich zwischen dem SR-Stellenplan und dem Gehaltsniveau in den Landesministerien macht dies deutlich. Bei vergleichbarer Fähigkeit, Verantwortung und Leistung verdienen SR-Mitarbeiter im Schnitt 20 bis 30 Prozent mehr als Beschäftigte der Landesregierung. So kommt ein Programmgruppen-Leiter auf knapp 100.000 Euro Jahresgehalt, ein Referatsleiter im Landesdienst auf knapp 80.000 Euro. Sogar Universitätsprofessoren und Richter erhalten weit weniger Salär als einfache Redakteure beim SR. Und Hauptabteilungsleiter beim Rundfunk verdienen fast so viel wie die sechs Landesminister (siehe Grafik). Zum Vergleich: Redakteure der Saarbrücker Zeitung verdienen 62.000 Euro, und das erst nach 25 Berufsjahren. Leitende SZ-Redakteure mit disziplinarischer Führungsverantwortung 72.000 Euro.
Zu 561 Festangestellten noch 185 „Feste Freie Mitarbeiter“
Auch außerhalb des SR-Stellenplans der Festangestellten stecken finanzielle Risiken: das Heer von zurzeit 185 „festen freien“ Mitarbeitern beim SR, 20 mehr als 2010. Die, wie die Festangestellten quasi unkündbar, kommen durchschnittlich auf 80.000 Euro Honorar im Jahr, zusätzlich Sozialabgaben. Sie dürften so mit rund 18 Millionen Euro im Sender-Etat zu Buche schlagen. Zum Vergleich: Für seine 561 festangestellten Mitarbeiter gibt der SR 54 Millionen Euro aus.
SR mit schwächstem Informationsangebot in der ARD
Es wäre verwunderlich, würde das Kleistsche Sparprogramm Angebot und Qualität der SR-Medien nicht weiter mindern. Kurzweiliges Zuschauer-Amüsement und fröhlich stimmende Ablenkung, so ist zu fürchten, werden sich in den Sendungen auf Kosten von Information und Service noch breiter machen. Schon heute bietet SR-Radio unter den ARD-Anstalten das mit Abstand schwächste Angebot an Wortbeiträgen. Ganze 17,5 Prozent (Bundesdurchschnitt 43,4 %) ihrer 35.000 Sendestunden wenden die Programmmacher vom Halberg für Wortsendungen auf. Der Rest ist musikalische Zielgruppen-Berieselung und Werbung. Die auf umfassende Information bedachten Saarländer haben im Bundesvergleich also den geringsten Nutzen von ihren 17,50 Euro Monatsbeitrag. Warum überhaupt werden den Saarländern so viele Informationen vorenthalten? Auf den Rundfunkrat und die SR-Leitung warten große Aufgaben.
Quellen:
SR- Geschäftsberichte 2008 bis 2015
Rede des Intendanten zu Beitragseinnahmen vor Mitarbeitern am 2.5.2017
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF): 20. Bericht, April 2016
Tarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen
Besoldungstabellen des Öffentlichen Dienstes, Länder West
Tarifvertrag für Öffentlich-Rechtliche Rundfunkanstalten
Bundesamt für Statistik: Statistisches Jahrbuch 2016